Es ist die am heissesten diskutierte Ski-Frage der Woche: Was war ausschlaggebend, dass Marco Odermatt in Beaver Creek (USA) seinen dritten Riesenslalom-Ausfall in Folge hatte? Deutschlands Ski-Papst Felix Neureuther (40, 13 Weltcupsiege) kommt zu folgender Erkenntnis: «Mir hat die Körpersprache von Odi nicht so gut gefallen. Er steht im Normalfall besonders zentral über dem Ski. Doch in Beaver Creek hatte er seinen Körperschwerpunkt zu weit hinten.»
Blick-Kolumnist Bernhard Russi glaubt dagegen, «dass Marco die Geduld verloren hat. Er wollte das Rennen bereits am vierten Tor entscheiden, fuhr eine zu enge, zu direkte Linie. Er hat sich selbst überholen wollen und vergessen, sich selbst zu sein. Aber in einer Karriere gibt es Tage und Momente, in denen man sich selbst nicht findet. Das hatte der erste Lauf, indem Marco die achte Zeit realisierte, deutlich gezeigt. Dann muss man den Schaden in Grenzen halten und auch mal auf Platz 4 oder 5 fahren.»
Die Erkenntnis von Odermatts-Erfolgstrainer
Odermatts Riesen-Coach Helmut Krug ist diesbezüglich ganz anderer Meinung: «Marco hat vor seinen drei Ausfällen im Riesenslalom zwölf Weltcuprennen in Serie gewonnen, hat in dieser Sparte WM- und Olympia-Gold sowie drei Kristallkugeln gewonnen. Ein solcher Ausnahmeathlet wird sich nie mit einem vierten oder fünften Rang zufriedengeben.»
Dann macht Krug klar, was beim Riesen auf der «Birds of Prey» das wahre Problem war. «Wir haben uns dort im Materialbereich komplett vergriffen», verrät der gebürtige Österreicher. «Ein paar Tage vor dem Rennen haben wir im Training in Vail etwas getestet, was dort sensationell funktioniert hat. Wir waren uns deshalb sicher, dass es auch für die Verhältnisse in Beaver Creek optimal sei. Doch das hat sich dann leider als Trugschluss herausgestellt.»
«Andere Athleten haben einen Riesen-Schritt gemacht»
Nach der Rückkehr aus den USA ist Krug mit Odermatt und Co. nach Courchevel (Fr) gefahren, um sich auf einer besonders unruhigen Piste auf den sehr selektiven Riesenslalom vom Samstag in Val-d’Isère vorzubereiten. Auf der extrem steilen «Face de Bellevarde» hat Marco Odermatt in den letzten drei Jahren drei souveräne Siege eingefahren. Kann der dreifache Gesamtsieger diese Serie fortsetzen?
«Für mich ist Marco auf dieser Piste der absolute Top-Favorit, weil er hier das Rennen nicht im dritten Tor gewinnen muss. In Val-d’Isère geht es darum, wer sich am besten an diesen speziellen Kurs anpassen kann. Und das beherrscht Marco so gut wie kein anderer», ist Bernhard Russi überzeugt.
Für Felix Neureuther ist Odermatt dagegen nicht mehr der unangefochtene Riesen-Favorit: «Zwar glaube auch ich daran, dass wir in diesem Winter wieder Riesenslalom-Erfolge von Marco Odermatt erleben werden. Ich glaube aber nicht, dass er es in dieser Disziplin so einfach haben wird wie in den letzten Jahren. Die jüngsten Ausfälle werden selbst bei ihm Spuren hinterlassen.»
Zudem gebe es einige Athleten, die im Riesenslalom einen grossen Schritt nach vorne gemacht hätten. «Was Thomas Tumler und Lucas Pinheiro Braathen zuletzt gezeigt haben, gehört wirklich zum Allerfeinsten. Auch Zan Kranjec, Alexander Steen-Olsen oder Henrik Kristoffersen sind sehr gut in Form. Das wird extrem spannend!», ist sich Neureuther sicher.
Der Riesen-Krimi auf der «Face de Bellevarde» beginnt am Samstag um 09.30 Uhr (live im Ticker bei Blick).