Marcel Hirscher ist endgültig in seiner neuen Heimat Holland angekommen. Vor der Skihalle in Zoetermeer, rund dreissig Autominuten von Amsterdam entfernt, beantwortet der gebürtige Österreicher die ersten Journalistenfragen seit seinem Nationenwechsel im April. Zur grossen Freude der Oranje-Reporter parliert der achtfache Gesamtweltcupsieger im ersten Teil dieser Medienkonferenz auf Holländisch.
Die ersten Sätze liest er noch von einem Spickzettel ab, dann spricht er frei in der Sprache seiner aus Den Haag stammenden Mutter Sylvia: «Die Zettel verwirren mich mehr, als dass sie mir helfen. Und weil ich seit dem Nationenwechsel vermehrt holländisches Radio gehört habe und öfter mit meiner Tante und Onkel in Holland gesprochen habe, funktioniert mein Holländisch besser, als ich vor dieser Fragerunde geglaubt habe.»
Braathen als Motivation
Dann verrät Hirscher, warum er nach seinem Rücktritt 2019 mit 35 Lenzen auf dem Buckel nun doch wieder in den Skisport zurückkehren will: «Ich war ja in den letzten Wintern regelmässig als Tester von meinen Van-Deer-Ski unterwegs. Und als Lucas Braathen kurz nach meinem Geburtstag sein Comeback verkündet hat, habe ich mir gedacht, dass es schön wäre, wenn ich auch wieder das eine oder andere Rennen bestreiten könnte.»
Der siebenfache Weltmeister unternimmt alles, um die Erwartungshaltungen tief zu halten: «Seit meinem letzten Weltcupeinsatz im März 2019 hat sich der Skisport enorm weiterentwickelt. Es wird sehr viel weniger gedriftet als in meiner Blütezeit. Deshalb werde ich nicht mehr der Star in der Manege sein, der neue Superstar heisst Marco Odermatt.»
Der Ausnahmeathlet aus dem Kanton Nidwalden ist auch der Grund, warum Hirscher die These von seinem langjährigen Erzrivalen Felix Neureuther über den Haufen wirft. Der Deutsche ist sich sicher, dass sich Hirscher im Riesen leichter tun wird als im Slalom. Hirschers Konter: «Ich glaube, dass es genau umgekehrt sein wird, weil es im Slalom keinen Marco Odermatt gibt.»
Erstes FIS-Rennen im August
Damit Hirscher zu Beginn des kommenden Weltcup-Winters mit einer günstigen Nummer starten kann, will er am 15. August in Neuseeland ein erstes FIS-Rennen bestreiten. Auf der offiziellen Homepage des Internationalen Skiverbandes steht derzeit allerdings hinter Hirschers Namen der englische Vermerk «not allowed», also nicht startberechtigt. Patrick Rimml, Athletenverantwortlicher bei Hirschers Hauptsponsor Red Bull, erklärt den Hintergrund: «Normalerweise kann ein Athlet sein Comeback erst sechs Monate nach der Anmeldung bei der Internationalen Anti-Doping-Agentur WADA geben. Wir haben für Marcel jedoch einen Antrag für drei Monate gestellt. Und diesem wurde stattgegeben.» Somit wird der «not allewed»-Status exakt am 15. August fallen.
Dafür ist Hirschers Versuch gescheitert, vor der Abreise nach Neuseeland ein mehrtägiges Schneetraining in einer Skihalle in Holland zu absolvieren. Als ein Mitarbeiter vom Team Hirscher die Indoor-Piste in Zoetermeer reservieren wollte, hat er am Telefon folgende Antwort erhalten: «Marcel Hirscher? Den kennen wir nicht!» Erst, nachdem Hirschers holländischer Onkel John Planken persönlich in die grösste holländische Skihalle gefahren ist, um Druck auf die Verantwortlichen auszuüben, habe Hollands neuer Alpin-Heiland dann doch eine Trainingspiste erhalten. Aber weil die Schneedecke zu dünn war, hat Hirscher dankend abgelehnt.
Seiner Liebe zur neuen Heimat tut dieser Vorfall jedoch kein Abbruch. «Mein Hauptwohnsitz war zwar immer in Österreich, aber ich habe vor allem als Kind viel Zeit in Holland verbracht und dabei unzählige schöne Momente erlebt. Jetzt will ich diesem Land etwas zurückgeben.» Die Frage ist einzig, wie viele Oranje Hirschers Rückkehr in den Ski-Zirkus wirklich mitbekommen werden. Denn: Beim holländischen Staatssender NOS ist derzeit keine einzige Übertragung von einem Weltcuprennen im kommenden Winter geplant.