Höhen und Tiefen gehören zu einer Sportkarriere dazu. Die emotionale Achterbahnfahrt, die Mikaela Shiffrin (28) in den letzten Wochen erlebt, hat es dennoch in sich.
Die ersten Rennen 2024 bestreitet die amerikanische Ski-Queen nicht zu 100 Prozent fit. Sie kränkelt, wird in Kranjska Gora (Slo) Neunte im Riesenslalom und scheidet im Slalom aus. Shiffrin zieht Konsequenzen daraus und verzichtet auf das Speed-Wochenende Mitte Januar in Altenmarkt-Zauchensee (Ö).
Doch anstatt sich aufs Gesundwerden konzentrieren zu können, muss sie mitansehen, wie ihr Freund Aleksander Aamodt Kilde (31) im Ziel-S der Lauberhornabfahrt schwer stürzt. Sie eilt sofort nach Bern, um ihm beizustehen. «Er hat ehrlich gesagt grosses Glück, noch am Leben zu sein», gibt sie später auf X einen Einblick in ihre Gefühlswelt.
Tränen und Sieg nach Schock
Drei Tage nach dem Schock schiebt sie ihre Sorgen zur Seite und gewinnt den Nachtslalom von Flachau (Ö). Ihre Tränen im Ziel zeigen, wie emotional das alles für sie ist. Trotzdem fährt sie auch in den kommenden zwei Technikrennen aufs Podest und feiert ihren 95. Weltcupsieg. Die Marke 100 wird immer greifbarer, auch der sechste Gesamtweltcupsieg scheint ihr niemand mehr strittig machen zu können – bis zum folgenschweren 26. Januar.
An jenem Tag fliegt Shiffrin in Cortina d'Ampezzo (It) in die Fangnetze. Sie bleibt lange liegen, als sie wieder steht, werden die Skistöcke zu Krücken umfunktioniert. Sie belastet das linke Bein nicht und die Sorgen sind gross, dass sich Shiffrin schwer verletzt hat. Stunden später gibts Entwarnung, sie hat sich «nur» eine Aussenbandverletzung im linken Knie zugezogen. Trotzdem kehrt sie vorerst nicht auf die Ski zurück, lässt den weiteren Saisonverlauf offen.
Shiffrin schwärmt von Gut-Behrami
Und muss zuschauen, wie sie im Gesamtweltcup überholt wird. Seit Shiffrin pausiert, trumpft eine Athletin gross auf: Lara Gut-Behrami (32). Neun Rennen fährt die Schweizerin, fünf gewinnt sie. Am 10. Februar zieht sie mit ihrem Riesenslalom-Sieg in Soldeu (And) an der Amerikanerin vorbei, inzwischen hat sie 340 Punkte Rückstand in 385 Punkte Vorsprung verwandelt.
Selbst Shiffrin schwärmt: «Lara war beeindruckend anzusehen. Sie ist momentan wirklich auf einem sehr hohen Niveau.» Und gibt zu, dass sie die grosse Kugel abgeschrieben hat. Stattdessen freut sie sich über die ihre sechste Nomination als Weltsportlerin des Jahres – und die Erfolge ihrer Teamkolleginnen, die in ihrer Abwesenheit aufs Podest fahren. Auch wenn sie lieber vor Ort wäre und mit ihnen feiern würde.
Das kann sie wohl bald wieder. Denn Shiffrin fährt erstmals seit fast sieben Wochen wieder einen Slalom-Lauf, wie sie auf Instagram zeigt. «Einige Fortschritte sind befriedigender als andere», schreibt sie dazu. «Heute war ein befriedigender Tag.» Ob es tatsächlich für einen Start in Are (Sd) reicht, wird sich am Wochenende zeigen. Gut möglich, dass sie auf den Riesenslalom verzichtet und nur den Slalom fährt.
Gemäss Megan Harrod, Kommunikationschefin des US-Teams, wird Shiffrin vor den Rennen nicht mit den Medien sprechen. Sie werde aber informieren, sollte sich was ändern. Auch um den Weltcupfinal in Saalbach-Hinterglemm (Ö) gibt es viele Fragezeichen. «Ich habe den Saalbach-Plan noch nicht mit ihr besprochen», so Harrod. «Wir müssen die Lage täglich neu beurteilen – mit vielen Unbekannten.» (bir)