Deutschlands Ski-König Felix Neureuther (39) gehörte zu seinen Aktivzeiten zu den besten Kumpels von Österreichs Slalom-Hippie Manuel Feller (31). Angesprochen auf die legendärsten Geschichten, die er mit dem Tiroler erlebt hat, verschlägt es selbst dem sonst so redseligen Bayer die Sprache: «Ähhhh, die darf ich definitiv nicht in der Öffentlichkeit erzählen.»
Nach einer längeren Denkpause beginnt Neureuther dann doch ein bisschen über seinen alten Spezi zu plaudern: «Manuel bewegt sich in einem Freundeskreis, in dem die Reggae-Musik und der damit verknüpfte Lifestyle wichtiger sind als der Skisport. Feller ist so etwas wie die alpine Antwort auf Bob Marley. Und es ist wirklich aussergewöhnlich, dass sich dieser bunte, wohltuende Typ im besonders konservativen System des ÖSV durchsetzen konnte.»
«Love and Peace» gepaart mit harten Raps
Das Liedgut und die Lebensweisheiten von Bob Marley (1945–1981) stellen für den unweit von Kitzbühel (Ö) in der Gemeinde Fieberbrun aufgewachsenen Feller tatsächlich eine wichtige Inspirationsquelle dar. Deshalb tuckert der zweifache Familienvater nach der harten Winter-Saison gerne durch Jamaika, wo er auch schon barfuss und mit einer Kerze in der Hand das Grab von Marley besucht hat. Vor der vergangenen WM in Méribel (Fr) hat der 31-Jährige selber eine Reggae-Single unter dem Titel «Frau Holle» herausgebracht. «Ich war schon fünfmal im Jamaika im Urlaub, ich habe dort einige Freunde kennengelernt. Und der Reggae-Sound hilft mir, um herunterzukommen.»
Auf Kritik an seiner Person reagiert Feller allerdings nicht mit «Love and Peace»-Texten, sondern mit Versen, die eher an die Kompositionen eines Ghetto-Rappers erinnern. Als Feller in der Saison 2019/20 nach einem Bandscheibenvorfall nicht wie gewohnt in Schwung kam, wurde er von Österreichs dreifachen Olympia- und WM-Medaillengewinner Christian Mayer (51) ins Visier genommen: «Wenn ich dem Feller beim Skifahren zuschaue, kommen mir die Tränen, weil er technisch so schlecht Ski fährt.»
Weil sich in dieser Phase auch viele Stubenhocker das Maul über ihn zerrissen haben, hat Feller mit einem Rap-Video auf seiner Instagram-Seite zum Gegenschlag ausgeholt. Die schärfste Textzeile: «Alles aus deinem Maul ist ein neidischer Schiss, weiss nicht, wieso du so bist, vielleicht weil deine Frau mein grösster Fan ist?» Am Ende dieses Videos hat Feller den Stinkefinger gezeigt.
Das Meisterstück auf der «Märchenwiese»
Eine richtig dicke Lippe hat Klartexter Feller auch ein Jahr später riskiert, als der Slalom von Kitzbühel bedingt durch die Corona-Krise nach Flachau (Ö) vergeben wurde. «Im Vergleich zum selektiven Ganslernhang in Kitzbühel kommt die Piste in Flachau lediglich einer Märchenwiese gleich», posaunte Feller. Es verstehe sich von selbst, dass die Führungskräfte des österreichischen Ski-Verbands keine Freude an dieser Aussage hatten. «Wenn es hier angeblich so leicht ist, dann sollte der Feller dieses Rennen ja auch locker gewinnen», forderte der damalige ÖSV-Frauenchef Christian Mitter (44).
Was ist dann passiert? Feller konnte seine grosse Klappe rechtfertigen, indem er in Flachau seinen ersten Weltcupsieg feierte. In der laufenden Saison sind dem grössten Freigeist im Ski-Zirkus bereits zwei grosse Coups gelungen – Feller triumphierte bei den Slaloms in Gurgl und Adelboden und liegt damit auch im Kampf um die kleine Kristallkugel in der Poleposition. Vor dem Slalom am Lauberhorn verrät Feller, dass er auch einen starken Bezug zur Schweiz hat. «Meine beiden Kinder haben einen Schweizer Pass, weil die Familie meiner Frau aus Arosa stammt.» Und deshalb singt der Reggae-Freak Feller wie nach seinem Sieg am «Chuenisbärgli» auch die Berner Oberländer Hymne «Vogellisi» mit voller Inbrunst.