Fünf Medaillen holte die Schweiz bislang bei der WM in Frankreich. Es könnten durchaus mehr sein, haben doch nicht alle Trümpfe gestochen. Zu ihnen zählte auch Lara Gut-Behrami (31). Sie wurde Sechste im Super-G und Zehnte in der Abfahrt – zu wenig für ihre Klasse. Doch noch ist nicht aller Tage Abend, beim Riesenslalom bietet sich der Tessinerin eine letzte Chance, mit etwas Glänzendem in der Tasche aus Méribel abzureisen. Sie ist Titelverteidigerin. Wie stehen diesmal ihre Chancen auf Edelmetall?
Mauro Pini kennt Gut-Behrami seit ihren Anfängen, der Trainer von Slowakeis Skistar Petra Vlhova war neben Vater Pauli Gut der erste «externe» Coach im Privatteam. Er traut Gut-Behrami alles zu – auch die Goldmedaille. «Lara hat ein angeborenes Talent, das Gelände perfekt zu nutzen, um Tempo zu generieren. Es wäre keine Sensation, wenn sie im Riesenslalom zuvorderst landet.»
Pinis Analyse kommt nicht von ungefähr. Denn Gut-Behramis Leistungen in dieser Disziplin sind an Konstanz kaum zu überbieten. Seit Oktober 2020 schaffte sie es mit einer Ausnahme – einer Aufgabe – in jedem Rennen unter die besten zehn. Und das in 20 Rennen. Zweimal gewann sie, bei der WM in Cortina 2021 und zuletzt beim Weltcup in Killington (USA). Dazu kommen weitere sechs Podestplätze. Nur Mikaela Shiffrin (27, USA) liegt derzeit im Riesenslalom-Weltcup vor ihr. «Ganz ehrlich, Lara und ich sind auch überrascht», sagt ihr Trainer Alejo Hervas. «Wir hätten nicht gedacht, dass sie im Riesenslalom so konstant und solide fahren würde», so der Südspanier.
Als Kind schon ruppige Pisten befahren
Tatsächlich bringt Gut-Behrami kaum etwas aus der Balance. Im Privatleben hat sie ihr inneres Gleichgewicht längst gefunden. Und auch auf den Ski bringt sie nichts aus der Ruhe. Ist der Hang eisig? Gut-Behrami rutscht kaum. Ist der Schnee aufgeweicht? Dann fährt sie spielerisch über Rillen und Schläge.
«Das Talent, jeden Teil vom Gelände zu nutzen, ist bei Lara angeboren. Gleichzeitig profitiert sie noch heute davon, dass sie das Skifahren als Kind in Airolo TI gelernt hat. Dort sind viele Pisten schmal und steil, es gibt viele Übergänge. Vor allem aber gab es zur Zeit, als sie ihre ersten Schwünge machte, längst nicht nur planierte Pisten», so Pini. Heisst: Gut-Behrami lernte von Anfang an, auch auf ruppigen und gezeichneten Pisten zu fahren. «Kommt dazu, dass sie als Kind sehr viel Zeit auf den Ski verbrachte – das war unglaublich wichtig.»
«Können den Gewinn ja teilen»
Einzig beim Start ist Shiffrin ihren Gegnerinnen derzeit klar überlegen – auch Gut-Behrami. Der US-Star beschleunigt, ähnlich wie ihr Freund Aleksander Kilde (30, No), perfekt aus dem Starthaus heraus. Dennoch bleibt Gut-Behrami ein heisser Medaillentipp – auch fürs oberste WM-Podest. «Wenn ich auf eine Goldmedaille wetten würde, wäre das clever, Alejo Hervas?» Der Spanier lachend: «Wer weiss? Wenn sie es schafft, könnten wir den Gewinn ja teilen!»