Für einen Moment steht die grosse Karriere von Marco Odermatt auf der Kippe. Es ist am 23. Januar 2022, als der Nidwaldener nach dem Sprung über den Kitzbühler Hausberg die verwegenste Linie auspackt! Im letzten Moment kann der Überflieger einen folgenschweren Absturz verhindern und mogelt sich am Tor vorbei. Im Ziel schwingt er hinter seinem Teamkollegen Beat Feuz auf dem zweiten Rang ab und schnauft tief durch: «Da ist mir das Herz in die Hose gerutscht, ich hätte mich in dieser Situation böse verletzen können!»
Stellt sich die Frage, wie Odermatt diese gefährliche Schlüsselstelle im Jahr nach diesem Schocker meistern wird? Der Liechtensteiner ZDF-Experte Marco Büchel (51) ist überzeugt, dass sein Vornamensvetter in den letzten zwölf Monaten enorm gereift ist. «Odi ist mir in diesem Winter oft mit einer äusserst routinierten Renn-Taktik aufgefallen.»
Und dann macht Büchel, der 2008 am Hahnenkamm den Super-G gewonnen hat, eine glasklare Ansage. «Ich bin mir sicher, dass Odermatt heuer mindestens eines der beiden Rennen auf der Streif gewinnen, und damit seinen ersten Sieg bei einer Weltcup-Abfahrt feiern wird. Der Riesenslalom Vize-Weltmeister von 1999 begründet seine Prognose wie folgt: «Odermatts Trümpfe stechen in Kitzbühel besser als bei der Lauberhornabfahrt. Hier spielt die Technik eine viel grössere Rolle, auf der Streif musst du die Schwünge viel kürzer halten, du musst die teilweise sehr engen Kurven voll auf Zug fahren können. Und das alles beherrscht Marco wie kein anderer.»
Der stärkste Gegenspieler leidet
Büchel hat schon vor dem Abschlusstraining 100 Franken auf einen Streifzug von Odermatt gewettet. Die Gewinnchancen sind in der Zwischenzeit noch einmal gestiegen, weil mit Aleksander Aamodt Kilde der stärkste Gegenspieler angeschlagen ist: Der Norweger, der am letzten Wochenende in grandioser Manier den Super-G sowie die Abfahrt am Lauberhorn gewann, verletzte sich bei seinem Trainingslauf bei der Einfahrt in den Steilhang an der Hand. Offenbar ist sein Handmittelknochen gebrochen.
Gemäss seinen Trainern will Kilde, der im Vorjahr die erste von zwei Hahnenkamm-Abfahrten gewonnen hat, dennoch bei beiden Hahnenkamm-Abfahrten an den Start gehen.