Für Marco Odermatt ist die heutige Rückkehr nach Beaver Creek (USA) etwas ganz Besonderes: Im Super-G auf der berüchtigten «Birds of Prey» hat der Nidwaldner am 6. Dezember 2019 seinen ersten Weltcupsieg eingefahren.
Das ganz Besondere daran: Weil der damals 22-Jährige mit der Startnummer 2 nach rund 30 Fahrsekunden einen groben Schnitzer beging, dachte er nicht im Traum daran, dass er mit dieser Leistung triumphieren könnte. «Im Ziel habe ich lediglich gehofft, dass diese Fahrt wenigstens für den Gewinn von ein paar Weltcup-Punkten reicht.»
Die erste Reaktion von Marcos Vater Walti fiel nahezu identisch aus. «Ich habe die ersten Minuten dieses Rennens im Büro angesehen. Nach der Fahrt von Marco war ich mir sicher, dass er damit keine Top-Platzierung erreichen kann. Deshalb bin ich nach der Startnummer 6 ins Auto gestiegen und bin ins Public Viewing gefahren, das der Fanclub auf dem Flugplatz in Ennetbürgen organisiert hat.» Als Odermatt Senior im «Nidair» eintraf, war er völlig perplex, weil sein Marco in Beaver Creek immer noch auf dem Leaderthron sass. Letztlich gewann Odermatt dieses denkwürdige Rennen mit einem Zehntel Vorsprung auf Aleksander Aamodt Kilde.
Die Erfüllung eines letzten Wunsches
Und dieser Samichlaus-Tag steht auch für die Geburtsstunde der «Odi-Mania», die zeitweise schier beängstigende Dimensionen einnimmt. Der bodenständige Blondschopf vom Vierwaldstättersee wird plötzlich wie ein Heiliger betrachtet. Kurz nach der ersten Heldentat in Beaver Creek ging eine ganz besondere Anfrage bei Odermatts Manager Michael Schiendorfer ein. «Die Familie eines todkranken Mannes aus der Region Solothurn teilte uns mit, dass es der letzte Lebenswunsch des Familienvaters sei, Marco zu treffen. Es war dann tatsächlich so, dass Marco dem Kranken diesen letzten Wunsch erfüllte, indem er ihn im Krankenhaus besuchte.»
Odermatt muss weiterhin Drecksarbeit verrichten
Diese Volksnähe, gepaart mit überragenden sportlichen Leistungen (24 Weltcupsiege, 2-facher Gesamtweltcupsieger, Olympiasieger und Weltmeister), führt dazu, dass Odermatt im helvetischen Sympathie-Ranking zeitweise sogar dem Jahrtausend-Athleten Roger Federer (42) den Rang abläuft.
Die in den Bereichen Daten und Analysen weltweit führende Firma AC Nielsen hat im Auftrag von Swiss-Ski-Hauptsponsor Sunrise eine Studie erarbeitet, die belegt, dass Odermatt im letzten Frühling bei der Schweizer Bevölkerung populärer war als der achtfache Wimbledon-Sieger.
Die Studie zeigt auch, dass der Tennis-Gott über den Sommer wieder Boden gut gemacht hat. Aktuell liegen Federer und Odermatt praktisch gleich auf. «Die sportlichen Erfolge von Odermatt und Federer sind natürlich aussergewöhnlich und haben ihnen einen hohen Bekanntheitsgrad verschafft. Aber noch viel wichtiger scheint mir, dass beide diese sympathische, bodenständige Art haben, mit der sich viele Menschen in der Schweiz sehr gut identifizieren können», meint Sunrise-CEO André Krause.
Walti Odermatt weiss, warum sein Sohn trotz seiner gigantischen Erfolge nie den Boden unter den Füssen verliert. «Marco hat denselben Kollegen-Kreis wie vor dem Beginn seiner Erfolgsserie. Er wohnt in einer WG mit seinem Jugendfreund Gabriel Gwerder. Und Gabriel erwartet von Marco auch nach einem grossen Sieg, dass er das Zimmer putzt.»