Im vergangenen Winter war Arnaud Boisset der grosse Überraschungsmann im Schweizer Speed-Team. Nicht zuletzt sein 3. Rang beim finalen Super-G in Saalbach (Ö) machte Hoffnung auf mehr für den WM-Winter. Doch gleich zu Beginn der laufenden Saison musste der Unterwalliser erstmals am eigenen Leib erfahren, wie gnadenlos der Abfahrtssport sein kann. Beim Rennen in Beaver Creek sorgte ein Fehler vor dem Harrier-Jump für einen bösen Sturz mit Folgen.
«Ich habe vor dem Absprung eine falsche Bewegung gemacht, deshalb bin ich einige Meter weiter gesprungen als Sieger Justin Murisier. Ich kann mich noch daran erinnern, wie hart die Landung war und dass es mir danach für einen Moment die Ski gekreuzt hat. Ab diesem Moment habe ich einen längeren Filmriss», erzählt Boisset.
Das ist nicht wirklich verwunderlich, schliesslich landete der 26-Jährige mit ungefähr 120 km/h Kopf voran auf der vereisten Birds of Prey, was eine Gehirnerschütterung und Prellungen im Gesicht und Schulterbereich zur Folge hatte.
«Wahrscheinlich nicht so schnell wie im Vorjahr»
«Die ersten sechs Tage waren wirklich sehr mühsam», erinnert sich Boisset. «Ich konnte mich nur schlecht bewegen, und war auch nicht in der Lage, irgendetwas mit dem Computer zu machen. Ich hatte starke Kopfschmerzen und war ständig müde, ich habe rund 13 Stunden am Tag geschlafen. Wenn ich einen Spaziergang von 20 Minuten gemacht habe, war ich derart ausgelaugt, dass ich mich gleich wieder ins Bett legen musste.»
Dennoch dauerte es nach diesem Crash lediglich drei Wochen, bis der hochintelligente Athlet, der sich parallel zum Skirennsport den Bachelor in Wirtschaft und Management erarbeitet hat, wieder die ersten Schwünge auf den Ski machen konnte. In der vergangenen Woche absolvierte Boisset in Zinal VS dann schliesslich das erste Super-G-Training. «Das hat gut funktioniert. Aber diese Trainingspiste war längst nicht so selektiv wie eine Weltcupstrecke.»
Dennoch will Boisset in dieser Woche auf der extrem selektiven Lauberhornpiste sein Weltcup-Comeback geben. «Sehr wahrscheinlich werde ich nicht so schnell sein, wie im Vorjahr. Aber wenn ich zu Hause auf dem Sofa sitzen bleibe, werde ich auch keine Fortschritte machen. Es ist ganz wichtig, dass ich wieder Rennerfahrung sammeln kann.»
«Ich habe keine Angst, aber...»
Nach der zweiten Trainingsfahrt auf der längsten Abfahrt der Welt, auf der er am Mittwoch mit 4,20 Sekunden Rückstand Platz 53 belegte, lässt der in Martigny aufgewachsene 1,85 Meter-Mann aber durchblicken, dass es wohl noch länger dauern wird, bis er wieder an die starken Leistungen vom vergangenen Winter wird anknüpfen können. «Es ist nicht so, dass ich auf der Abfahrt Angst habe. Aber ich habe nicht mehr dasselbe Selbstvertrauen, wie vor dem Unfall.»
Dennoch ist sich Boisset im Klaren darüber, dass er Glück im Unglück hatte. «Ich habe mir den Sturz mehrmals angeschaut, weil ich ganz genau wissen wollte, was ich falsch gemacht habe. Und dabei habe ich auch erkannt, dass dieser Abflug noch viel schlimmer hätte enden können.»