Wer am Haus der Familie Hählen in Lenk BE vorbeigeht, staunt nicht schlecht. Mitten im Garten steht eine imposante Holzkonstruktion mit Treppe, Starttor und Rasenteppich. «Mal schauen, wie lange dies meine Eltern noch tolerieren», sagt Joana Hählen lachend.
Rückblick. BLICK trifft die 28-jährige Speed-Spezialistin, die in der letzten Saison mit zwei Podestplätzen in die Weltspitze hinein raste, vor einigen Wochen bei ihrem Familienhaus. «Im letzten Winter war ich oft frustriert, weil ich am Start oft viel Zeit verlor. Also fragte ich meinen Freund, ob er nicht eine Rampe bauen könnte», erklärt Hählen. Gesagt, getan. Hählens Freund ist Ingenieur. «Und ein Bastler. Das hört er zwar nicht sehr gerne, ist aber gut gemeint. Er hat das super gemacht», ergänzt sie.
Dreh nach 200 Garten-Starts raus
Und siehe da: Nach mehr als 200 Garten-Starts – teilweise in sommerlichen Outfits – hat Hählen den Dreh raus. Dies auch dank der Hilfe von Swiss-Ski-Trainer Cristian Locher, der viele Versuche filmte. Aber was machte die Powerfrau falsch? «Ich löste das Starttörchen oft mit dem unteren Teil des Skischuhs aus. Dadurch verlor ich einige Hundertstel. Nun habe ich meine Technik angepasst und berühre das Starttor weiter oben, fast an der Lasche des Skischuhs – dort ist es ideal.»
Tönt einfach. Aber die Startbewegungen sind komplex. Die über Jahre im Kopf eingebrannten Muster lassen sich nicht von heute auf morgen durchbrechen. «Es braucht Hunderte Wiederholungen, um etwas zu ändern», so Hählen. Darum habe sie nicht nach Zermatt oder Obersaxen ausweichen wollen, wo es fest installierte Startrampen gibt. «So kann ich, sobald ich zu Hause bin, immer wieder üben.» Und das mehrere Tage am Stück.
«Muss automatisch passieren»
«Es hat klick gemacht», ist Hählen überzeugt. «Stöcke einstecken, Spannung aufbauen, explosiv rauskatapultieren. Das muss automatisch passieren. Wenn ich weiss, dass ich es kann, beruhigt mich das.»
Frauen-Cheftrainer Beat Tschuor lobt Hählens Privat-Training: «Das ist genau das, worauf es ankommt. Sie arbeitet an Details, die auf diesem Niveau entscheidend sind.» Für ihn ist klar: «Sie fuhr im letzten Winter zweimal aufs Podium. Jetzt will sie den Sieg.»
Ob es in St. Anton klappt? Hier feierte sie vor vier Jahren ihren ersten grossen Erfolg: Bei der Europacup-Abfahrt raste Hählen auf Platz 1. Nun kehrt sie erstmals dorthin zurück. «Die Erinnerungen sind gut, umso mehr freue ich mich», sagt Hählen. So oder so wünscht sie sich, dass ihre Eltern die Startrampe im Garten noch lange tolerieren.