Der Saisonstart hätte Andri Ragettli (22) besser nicht gelingen können: In Stubai (Ö) gelingt ihm am Wochenende der dritte Slopestyle-Sieg in Folge – dank mutigem zweiten Run. Aber das wars dann auch schon mit Weltcup-Events für die Freeskier bis Anfang Januar: Die Wettbewerbe in Peking (China) und Copper Mountain (USA) sind abgesagt.
Für viele Athleten in Randsportarten in diesen Tagen ein Problem: keine Wettkämpfe, kein Geld. Doch ein paar Schneesportler haben einen Plan B. Ragettli zum Beispiel: «Ich habe mir überlegt, was wäre, wenn fast keine Rennen mehr stattfinden.» Der Bündner ist seit Jahren in den Sozialen Medien eine grosse Nummer. Seine Parcours-Videos gehen regelmässig um die Welt. Und wenn er spektakulär von der Zürcher Kornhausbrücke in die Limmat springt, schauen Hunderttausende auf Instagram zu.
Man verschwindet nicht aus der Öffentlichkeit
«Es hilft in dieser Zeit extrem, wenn du in den sozialen Medien aktiv bist und dort ein zweites Standbein hast.» Schon nur, um zeigen zu können, dass man nicht aus der Öffentlichkeit verschwindet, wenn keine Wettkämpfe stattfinden. «Das kann in Gesprächen mit Sponsoren hilfreich sein. Im Moment spüre ich die Krise an dieser Front nicht, ich habe sogar einen grösseren Partner dazu gewonnen diesen Sommer. Aber es ist klar: Einfacher wird es nicht.»
Teamkollege Fabian Bösch (23) hat ähnliche Voraussetzungen. Der Engelberger erlangte internationale Berühmtheit, als er sich für ein Kurzfilmchen bei Olympia 2018 an eine Rolltreppe hängte und nach oben ziehen liess. Mit witzigen Videos sorgt der Weltmeister von 2019 immer wieder für Aufmerksamkeit – das goutieren auch die Sponsoren. «Das ist sicher nicht abträglich», sagt Bösch. «Aber für mich steht schon der Sport im Mittelpunkt. Der Rest kann nur Ergänzung sein, das ist mir wichtig.»
Mit dem österreichischen Dosengiganten Red Bull hat er seit letzter Saison einen der bei Freestyle-Athleten begehrtesten Sponsoren im Portfolio. Daran wird sich trotz Krise nichts ändern. «Im Sommer habe ich nur positives Feedback von ihnen erhalten», sagt Bösch. «Wie von meinem Skiausrüster Atomic auch. Es gibt keine Hinweise darauf, dass sich etwas ändern könnte. Aber ich habe Respekt vor der Situation.»
Nordamerika wichtig für Freestyler
Wichtig für die Freestyler, sowohl auf den Ski wie für die Snowboarder: Der nordamerikanische Markt. Dort sind auch die X-Games angesagt, der eigentliche Saisonhöhepunkt. «Für mich kein Problem», sagt Bösch. «Es ist ja nicht so, dass wir in der Schweiz tiefe Corona-Fallzahlen hätten und nun in ein Problemgebiet reisen würden. Im Gegenteil: Die Wettkämpfe finden hauptsächlich in kleinen Orten in den Bergen statt. Da kann man sich recht gut aus dem Weg gehen.»
Dass die Saison besonders wird, haben die Freeskier beim Weltcup-Auftakt in Stubai (Ö) schon gemerkt. Alles dauert länger – und viel wird improvisiert. So wurden die Athleten innerhalb von drei Tagen zweimal auf Corona getestet, mussten dabei viel warten und «es braucht mehr Nerven für alles», stellt Ragettli fest, «und viel Geduld.» Gerade für ihn, der gerne alles minutiös im Voraus plant, eine Herausforderung. «Das ist bisher sicher nicht meine Stärke. Aber vielleicht ist das ja für mich der positive Corona-Effekt: Dass ich in dieser Sache dazulerne.»