«Es fühlt sich hier an wie im Zoo»
Shooting-Star von Allmen vor seiner WM-Feuertaufe

Beim Lauberhorn Super-G hat Franjo von Allmen seinen ersten Weltcupsieg gefeiert, bei der WM geht der Berner Oberländer als stärkster Herausforderer von Marco Odermatt an den Start. Im Blick-Interview erklärt FvA, warum er die Strecken nie mit Odermatt besichtigt.
Publiziert: 17:25 Uhr
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Aktualisiert: 21:13 Uhr
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Vor drei Wochen hat Franjo von Allmen beim Super-G in Wengen...
Foto: AFP
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Marcel W. PerrenSki-Reporter

Blick:In Ihrer Heimat im oberen Simmental werden immer mehr Lebens- und Genussmittel nach Ihnen benannt. Was mundet Ihnen besser: Der zu Ehren von Ihnen kreierte Lebkuchenriegel oder der «Franatiker»-Schnaps?
Franjo
Von Allmen: Ganz einfach: Zum Züni bevorzuge ich den Riegel, nach dem Znacht genehmige ich mir auch mal gerne ein «Schnäpsli», vorzugsweise während der Saisonpause.

Sie stehen in Saalbach erstmals bei einer WM am Start. Spüren Sie einen grossen Unterschied zu den Weltcup-Klassikern?
Der Rummel ist noch grösser, das Interesse der Medien noch ausgeprägter. Aber eines ist genau gleich: Es geht auch hier darum, möglichst schnell mit den Ski vom Start ins Ziel zu fahren. Und deshalb versuche ich, mich gleich auf Super-G und Abfahrt vorzubereiten, wie ich das im Weltcup mache.

Das Schweizer Mannschaftshotel liegt im Zentrum von Hinterglemm, die Fans können von der Strasse aus durch die Scheibe in Ihren Trainingsraum blicken. Stört es Sie, wenn Sie auf dem Fahrrad-Ergometer sitzen und von vielen Menschen «begafft» werden?
Ein bisschen unangenehm ist es schon, es fühlt sich ein wenig an wie im Zoo. Anderseits ist es ja schön, wenn hier so viele Leute ihr Interesse an uns Skirennfahrern zeigen. Und ich habe auch Verständnis dafür, dass diese Leute halt Dinge besonders interessant finden, welche sie zu Hause vor dem Fernseher nicht sehen können.

Franjo von Allmen persönlich

Bei diesem jungen Mann aus Boltigen BE verläuft die Karriere bisher im Eiltempo. Als Franjo von Allmen (23) am 4. März 2023 in der Abfahrt von Aspen erstmals im Weltcup auftaucht, zeichnet sich bereits ab, dass da ein risikofreudiger, aber ganz schneller Bursche daher kommt. Die ersten Weltcuppunkte gibts im Dezember 2023, das erste Podest im Januar 2024 (Super-G in Garmisch) und den ersten Sieg vor drei Wochen im Super-G in Wengen. Jetzt nimmt von Allmen an seiner ersten WM teil und gilt schon als Mitfavorit. Der Berner ist gelernter Zimmermann. Dass er aus besonderem Holz geschnitzt ist, zeigt auch, dass von Allmen als erst zweiter Schweizer Alpinfahrer nach Marco Odermatt von Red Bull gesponsert wird. Auf dem Weg an die Weltspitze musste der Simmentaler mit einem schweren Schicksalsschlag klarkommen: Vor sechs Jahren verstarb völlig unerwartet sein Vater.

Bei diesem jungen Mann aus Boltigen BE verläuft die Karriere bisher im Eiltempo. Als Franjo von Allmen (23) am 4. März 2023 in der Abfahrt von Aspen erstmals im Weltcup auftaucht, zeichnet sich bereits ab, dass da ein risikofreudiger, aber ganz schneller Bursche daher kommt. Die ersten Weltcuppunkte gibts im Dezember 2023, das erste Podest im Januar 2024 (Super-G in Garmisch) und den ersten Sieg vor drei Wochen im Super-G in Wengen. Jetzt nimmt von Allmen an seiner ersten WM teil und gilt schon als Mitfavorit. Der Berner ist gelernter Zimmermann. Dass er aus besonderem Holz geschnitzt ist, zeigt auch, dass von Allmen als erst zweiter Schweizer Alpinfahrer nach Marco Odermatt von Red Bull gesponsert wird. Auf dem Weg an die Weltspitze musste der Simmentaler mit einem schweren Schicksalsschlag klarkommen: Vor sechs Jahren verstarb völlig unerwartet sein Vater.

Der Hinterglemmer WM-Chef Bartl Gensbichler meinte, dass die Schweizer bei diesen Titelkämpfen den grösseren Vorteil hätten als die Österreicher, weil sie in den Europacup-Zeiten regelmässig mit Franz Heinzer, der 1991 in Saalbach Abfahrts-Weltmeister wurde, trainiert hätten. Geben Sie Gensbichler recht?
Von Allmen: Es ist tatsächlich so, dass ich hier unter Franz Heinzer schon im Europacup trainiert habe, wir haben hier im Europacup auch schon Rennen bestritten. Aber wenn ich gesehen habe, wie schnell die Österreicher nach dem ersten Training mit der Besichtigung der Strecke fertig waren, wage ich die Schlussfolgerung, dass sie sehr noch viel öfter hier trainiert haben als wir.

Man sieht Sie meistens mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Wann waren Sie das letzte Mal so richtig hässig?
Da muss ich scharf nachdenken, weil es wirklich selten vorkommt, dass ich mies gelaunt bin. Und wenn es so ist, ziehe ich mich an einen ruhigen Ort zurück, um das mit mir selbst auszumachen. Ich suche den Fehler immer zuerst bei mir. Es bringt nichts, auf andere wütend zu sein, weil ich mein Gegenüber ja nicht beeinflussen kann.

Sie gelten als besonders wilder Hund. Wie oft sind Sie schon in Situationen geraten, in denen Sie dem Tod in die Augen geschaut haben?
Es hat in meinem Leben schon ein paar brenzlige Situationen gegeben. Aber es war noch nie so dramatisch, dass ich Todesangst hatte. Am Start von einem Weltcuprennen darfst du sowieso keine Angst haben, ansonsten ist es programmiert, dass es nicht gut kommt. Aber als Rennfahrer brauchst du einen gesunden Respekt.

Welche Piste hat Ihnen besonders viel Respekt eingeflösst?
Die Streif in Kitzbühel ist mir schon am heftigsten eingefahren. Als ich erstmals in die Mausefalle geschaut habe, musste ich ein paarmal leer schlucken.

In Kitzbühel müssen die Debütanten, die nach dem Start mit weniger als drei Stockstössen anschieben, eine Runde Bier bezahlen ...
Ich habe bei meinem ersten Streif-Start sogar viermal angeschoben. Aber nicht, weil ich besonders mutig bin, sondern weil ich mich verzählt habe. Und ich muss auch gestehen, dass der vierte Stockstoss kein Kräftiger war. Meine Stöcke haben in dieser Situation den Schnee nur leicht berührt. Jetzt kommt mir übrigens in den Sinn, wann ich das letzte Mal richtig hässig war.

Wir sind ganz Ohr ...
Vorletzte Woche in Kitzbühel, als ich im Training die Einfahrt in den Zielhang verhauen habe. In solchen Momenten kommt es vor, dass ich zu fluchen beginne. Und wenn man die Aufzeichnung von meiner missglückten Abfahrt im letzten Dezember in Beaver Creek anschaut, kann man beim genauen Hinhören ebenfalls ein paar Laute von mir wahrnehmen.

Sie gehören zu den Rennfahrern, die sich mit Musik auf ein Rennen einstimmen. Welche Klänge werden Sie sich vor dem WM-Super-G reinziehen?
Seit ich in Gröden mit dem zweiten Rang meinen ersten Podestplatz in einer Weltcup-Abfahrt eingefahren habe, laufen bei mir in der Rennvorbereitung immer dieselben neun Lieder in der Dauerschleife. Bei der Musik in dieser Playlist handelt es sich um eine Mischung aus Rock und Hard Techno.

Der grosse Teil des Schweizer Speed-Teams bildet auch bei der Streckenbesichtigung eine Einheit. Sie besichtigen jedoch lieber alleine. Warum?
Ich habe mir in meiner ersten Weltcupsaison schon einmal überlegt, ob ich zusammen mit dem absoluten Top-Star Marco Odermatt die Rennpisten besichtigen soll. Letztendlich habe ich mich dagegen entschieden, weil mich das sehr wahrscheinlich verunsichern würde. Ich kann nicht so fahren wie ein Marco Odermatt, ich habe auch einen anderen Fahrstil als Justin Murisier. Ich muss bei gewissen Passagen einen Meter mehr einberechnen als ein Odi. Aber wenn ich mein Ding richtig durchziehe, kann ich eben trotzdem schnell sein.

In Ihrem Freundeskreis werden Sie auch für ihre Qualitäten als Handwerker bewundert. Sie haben parallel zum Skirennsport mit Erfolg eine Lehre als Zimmermann abgeschlossen, in Ihrer Freizeit restaurieren sie alte Autos. Auf welchen «Oldtimer» sind Sie besonders stolz?
Der VW Golf 1, den ich von meinem Onkel Theo übernehmen durfte. Von einem solchen Prachtstück habe ich schon als Bub immer geträumt. Und deshalb werde ich dieses Auto nicht so schnell verkaufen.

Aufgrund der langen Verletztenliste gibt es auch im Skirennsport immer mehr Leute, die das Material entschärfen möchten. Können Sie das nachvollziehen?
Es ist für mich nicht einfach, bei diesem Thema mitreden zu können, weil ich ja noch nicht lange in diesem Business bin. Aber als es im letzten Jahr viele Stürze gegeben hat, meinten viele, es sei auf zu viele Rennen innerhalb von einer Woche zurückzuführen. Danach wurde der Weltcup-Kalender entsprechend angepasst. Weil es nun aber wieder zahlreiche Stürze gegeben hat, soll plötzlich das Material die Hauptschuld tragen. Ich glaube das nicht. Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir die Verletzungen mit gleichmässig präparierten Pisten stark reduzieren könnten. Fakt ist: Im Spitzensport werden die Grenzen immer ausgelotet. Letztendlich kann jeder Athlet selbst entscheiden, ob er das will oder nicht. Es wird niemand zu einem Start bei einer Abfahrt gezwungen. Wenn einer dieses Risiko nicht mehr eingehen will, soll er es lassen.

Sind Sie süchtig nach diesen Grenzerfahrungen?
Schon ein bisschen, ich mag diesen Adrenalinkick sehr. Die Suche nach dem Limit, herauszufinden, wo die Grenzen sind, macht mir Freude.

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