Erika Hess hat mit ihrer Kritik recht
SRF-Dok über Ski-WM Crans-Montana ist eine Mogelpackung!

Ein Dok-Film spaltet die Ski-Schweiz! Warum Erika Hess mit ihrer Kritik recht hat, der Film aber trotzdem sehenswert ist. Und weshalb Joël Gaspoz die Herzen berührt. Eine TV-Kritik.
Publiziert: 28.01.2021 um 11:38 Uhr
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Aktualisiert: 31.01.2021 um 10:42 Uhr
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Der Film lebt vor allem von drei Duellen: Pirmin Zurbriggen (l.) gegen Peter Müller,...
Foto: Keystone
Daniel Leu

Der Inhalt

«Skistars im Goldrausch – Der Triumph von Crans-Montana»: So lautet der Titel des Dokumentarfilms, der heute Abend um 20.05 Uhr auf SRF2 ausgestrahlt wird und der vom welschen Sender RTS produziert wurde. Der Film von Regisseur Pierre Morath ist eine Mogelpackung. In Wahrheit geht es hauptsächlich um drei packende Duelle der 80er-Jahre: Zurbriggen gegen Müller, Zurbriggen gegen Gaspoz und Walliser gegen Figini.

Die Hess-Kritik

«Ich bin total enttäuscht», sagte Erika Hess dem Magazin «TV Star» über den Dok. Ihr Kritikpunkt: «Von Vreni Schneider und mir hat man praktisch nichts gezeigt und erzählt, obwohl wir ebenfalls Goldmedaillen holten. So hätte er eine Doku über die 80er-Duelle machen können, aber nicht über Crans-Montana.»

Hess hat recht. Nicht Crans-Montana 1987 steht im Vordergrund, sondern die Duelle. Ganze 30 Sekunden wird über Vreni Schneider (eine Goldmedaille) berichtet, Erika Hess (Gold im Slalom und in der Kombination) wird gar in 20 Sekunden schnöde abgespeist.

Der irritierendste Moment

Als Patrick Lang, Journalist und Sohn von Weltcup-Gründer Serge Lang, über die Männer-Abfahrt spricht, wirds plötzlich emotional. Der Triumph des ewigen Zweiten Peter Müller über seinen Dauerrivalen Pirmin Zurbriggen berührt ihn tief. «Die Gefühle kommen wieder hoch. Das war aussergewöhnlich, das war sein Herzenswunsch», sagt Patrick Lang unter Tränen. Warum ihm das so nahe geht, bleibt dem Zuschauer ein Rätsel, denn eine Auflösung gibt es nicht.

Die erstaunlichste Erkenntnis

Olympiasieger, Weltmeister, Gesamtweltcupsieger: Pirmin Zurbriggen hat alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt. Im Film sagt er: «Ohne Joël hätte ich nicht erreicht, was ich erreicht habe.» Mit Joël meint er Joël Gaspoz, den ehemaligen Techniker, den Mozart des Skisports. Die Duelle mit ihm hätten ihn zu einem besseren und erfolgreicheren Skirennfahrer gemacht, schwärmt Zurbriggen voller Ehrfurcht und Respekt.

Der emotionalste Moment

Im Riesenslalom der Männer ist Gaspoz im zweiten Lauf auf Goldkurs, doch dann kommt dieser eine Moment, der eine Karriere in eine völlig andere Richtung drehen kann. Viertletztes Tor, Gaspoz stürzt. Aus der Traum. Gaspoz am Boden. Gold für Zurbriggen.

Im Film erinnert sich Gaspoz eindrücklich an diese Szene: «Zuerst absolute Stille, dann ein Schrei, der die Stille durchdringt. Einfach super. Irgendwie war es schön.» Und weiter: «Es tat mir leid für die Leute, die gekommen waren, um mich zu sehen. Und diese Leute waren traurig wegen mir. Als ich all diese Tränen sah, war es, als würde mir Liebe geschenkt.» Wow!

Die lustigste Aussage

Peter Müller, der Zürcher Unterländer mit seinem schwierigen Charakter, erzählt im Film vom Moment, in dem er ins Kader aufgenommen wurde. «Bei uns hast du nichts verloren. Geh wieder heim», sollen sie ihm damals gesagt haben. Müllers Konter: «Ihr seid schon drei Jahre in diesem Kader und seid nicht weitergekommen. Also seid ihr Riesen-Würste.»

Der frechste Satz

Der Tessiner Journalist Giorgio Keller hat den Aufstieg von Michela Figini hautnah miterlebt. Im Dok erinnert er sich an eine Episode vor den Olympischen Spielen 1984: «Ich sagte zu ihr: Michela, ich habe eine Idee. Wenn du in Sarajevo gewinnst, schreibe ich ein Buch. Sie antwortete mir: Fang schon mal an zu schreiben!» Der Rest ist bekannt: Figini wurde tatsächlich Olympiasiegerin, und das Buch erschien.

Das Fazit

Der Film ist gut, aber wegen des falschen Titels – wie schon erwähnt – eine Mogelpackung. Trotzdem lohnt sich die Zeitreise. Ein Rückblick auf die rotgelben Kodak-Anzüge, die legendären SKA-Mützen und die Frisuren und Modesünden der 80er-Jahre. Und ja, es macht Spass, noch einmal die jungen Kurt Aeschbacher, Matthias Hüppi und Hans Jucker zu sehen.

Dass Vreni Schneider und Erika Hess dabei bloss Statisten sind, ist schade, unnötig und wird dem Titel nicht gerecht. Wahrscheinlich hat hier auch der Röstigraben eine Rolle gespielt, denn Joël Gaspoz war damals der einzige Westschweizer WM-Teilnehmer mit Medaillenchancen. Deshalb spielte er in diesem Film wohl eine Hauptrolle. Zugegeben, eine sehenswerte Hauptrolle.

Doch die Zeit, die Leistungen von Hess und Schneider mehr zu würdigen, wäre übrigens dagewesen. Denn in den letzten 22 Dok-Minuten geht es nicht mehr um Crans-Montana 1987, sondern um die Jahre danach.

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