Es ist eine denkwürdige Geste. Obwohl Daniel Yule im Schneetreiben am Hahnenkamm im zweiten Durchgang genau wie seine Teamkollegen Ramon Zenhäusern, Sandro Simonet und Noel von Grünigen ausscheidet, streckt er am Ende von diesem verrückten Rennen seine Hände jubilierend in die Höhe. Der Walliser mit britischen Eltern freut sich deshalb so sehr, weil mit Dave Ryding soeben einer seiner besten Freunde den ersten alpinen Weltcupsieg für Grossbritannien ins Trockene gebracht hat.
Wohnwagen statt Hotelzimmer
«Dave und ich stehen in ständigem, sehr freundschaftlichen Kontakt. Und ich kenne in diesem Sport wirklich keinen härteren Arbeiter als ihn.» Aufgewachsen ist Ryding in der Grafschaft Lancashire, nördlich von Manchester. Weil es in dieser Gegend weit und breit keine Schneeberge gibt, ist Dave bis zu seinem dreizehnten Lebensjahr ausschliesslich auf Kunststoffmatten Ski gefahren. Später ist der leidenschaftliche Fan des FC Liverpool im klapprigen Wohnwagen seiner Eltern zu den Trainingscamps in die Alpen gereist.
Zu Beginn seiner Weltcup-Karriere hat er auch oft in diesem Wagen geschlafen, weil das Budget des britischen Verbandes nicht immer für die Übernachtung in einem Hotelzimmer ausgereicht hat. Dennoch war Ryding dem grossen Sieg bereits 2017 in Kitzbühel sehr nahe – damals musste er sich lediglich Marcel Hirscher geschlagen geben.
Im letzten Winter gelang dem reinen Slalom-Spezialisten am Adelbodner Chuenisbärgli mit dem dritten Rang ein weiterer Exploit. Und nun also dieser geschichtsträchtige Sieg am «Ganslern-Hang». «Ich habe trotz vielen Rückschlägen nie aufgehört zu kämpfen. Nun bedeutet dieser Sieg die Welt für mich», frohlockt der 35-Jährige. Um finanziell nicht nur vom Skisport abhängig zu sein, hat Ryding vor ein paar Jahren in seiner Heimatstadt einen Coffee-Shop eröffnet.
Yules haarige Überraschung
«Nach dieser Saison wird Dave heiraten, er hat mich für seine Hochzeit eingeladen. Nach diesem grossartigen Sieg erwarte ich, dass er bei seiner Wedding-Party einen richtig teuren Champagner ausschenken wird», meint Yule, der vor zwei Jahren beim Kitz-Slalom triumphierte, augenzwinkernd. Kurz vor der Siegerehrung seines Kumpels wartet übrigens auch Yule mit einer Überraschung auf, indem er dem Publikum erstmals seine drogerieblonde Haarpracht präsentiert. «Ich habe meiner Physiotherapeutin versprochen, dass sie mir die Haare färben darf, sobald ich im Weltcup aufs Podest zurückkehre. Kurz nach dem zweiten Rang letzten Sonntag in Wengen war es dann halt so weit.»