Am 12. Dezember um 11.16 Uhr verschickt Swiss-Ski die verhängnisvolle Nachricht. «Wendy Holdener fällt mit Sprunggelenksverletzung aus», heisst es in der Überschrift. Tönt auf den ersten Blick nur halb so schlimm. Tatsächlich erleidet Holdener, die scheinbar unzerstörbare Schweizer Slalom-Königin, im Training einen Bruch im linken Fuss. «Wendy flog geradeaus ins Netz», berichtet Cheftrainer Beat Tschuor. Der Aufprall ist so heftig, dass beide Ski zerstört werden.
Holdener selbst hat seither nicht gesprochen – sie will es irgendwann im neuen Jahr tun. Via Social Media veröffentlichte sie Bilder in Krücken und vor dem Weihnachtsbaum, zuletzt auch von ihrem Fuss. «Zeit, die Fäden zu ziehen», schrieb sie darunter. Ob Holdener in diesem Winter auf die Rennpisten zurückkehren wird, ist fraglich. Ende Februar will man entscheiden.
Fünf Fahrerinnen holten Slalom-Punkte
Die Folgen von Holdeners bislang schlimmsten Verletzung sind nicht nur für sie gravierend. «Die Lücke, die sie hinterlässt, ist riesig», sagt Tschuor. Tatsächlich holte Holdener vor ihrem Unfall 36 der 42 Schweizer Slalom-Podestplätze, dazu hamsterte sie regelmässig Edelmetall bei Grossanlässen. Es stellten sich zwei Fragen. Erstens: Fällt das Slalom-Team auseinander? Und zweitens: Gibt es einen düsteren Winter ohne Podestplatz? Beides kann man mit «Nein» beantworten.
Mehr zum Skisport
Obwohl mit Aline Danioth (25) eine weitere Teamstütze fehlt, schlägt sich das Schweizer Team bislang wacker. Fünf Athletinnen sammelten seit Holdeners Ausfall Slalom-Punkte: Elena Stoffel (27), Camille Rast (24), Mélanie Meillard (25), Nicole Good (25) und Michelle Gisin (30). Letztere fuhr zuletzt in Lienz (Ö) als Dritte aufs Podest. «Das ist wunderschön. Gleichzeitig kann man dies künftig von uns nicht immer erwarten», so Gisin.
Trio wurde auseinandergerissen
Auseinandergebrochen ist das Schweizer Team jedenfalls nicht. «Es war mir immer klar, dass wir auch ohne Wendy Potenzial haben. Dennoch fehlt sie als Pacemakerin im Team», sagt Tschuor. Besonders schmerzhaft ist ihr Ausfall für Meillard und Rast, die nun in der obersten Trainingsgruppe von Swiss-Ski alleine unterwegs sind, da sich Gisin dem Speed-Team angeschlossen hat. «Wir waren ein cooles Trio und hatten auch ein Gleichgewicht mit den verschiedenen Charakteren. Wir vermissen Wendy», sagt Rast.
Meillard ergänzt: «Wir müssen es ohne sie machen. Michelle zeigt, dass es geht. Wir anderen sind noch nicht weit, aber es kommt nach und nach.» Dazu muss man wissen: Meillard und Holdener stehen sich auch abseits der Piste sehr nahe «Ich trage Wendy in meinem Herzen», sagt sie mit wässerigen Augen.
«Hoffe, dass Ruhe einkehrt»
Stark ist auch der neunte Platz in Lienz von Good (25). Sie St. Gallerin war nie zuvor so gut klassiert. «Ich wusste, dass ich gut drauf bin – nun konnte ich es zeigen, super», sagt sie.
Und wie geht es weiter? Tschuor: «Wendys Ausfall eröffnet auch Chancen, es gibt mehr Platz. Nun hoffe ich, dass etwas Ruhe einkehrt.»