Zwischen Skirennfahrern und Freestylern besteht ein tiefer Graben. Es gibt Slopestyler, welche die Alpinen als «uncoole Typen in viel zu engen Rennanzügen» bezeichnen. Umgekehrt lästern manche Abfahrer und Slalom-Spezialisten über die «Ski-Hippies» in den sogenannten Snow Parks. Zwischen unserer Riesen-Hoffnung Marco Odermatt (23) und dem Slopestyle- und Big-Air-Überflieger Fabian Bösch (23) gibt es diese Differenzen nicht.
Im Gegenteil. Der Nidwaldner Odermatt und der Obwaldner Bösch sind ziemlich beste Freunde. «Weil unsere Eltern ein sehr gutes Verhältnis miteinander haben, sind Marco und ich mehr oder weniger zusammen aufgewachsen», klärt Bösch auf. Eine Zeit lang wurde der «Fäbu» als ähnlich grosses Alpin-Talent wie der «Odi» gehandelt. Beim Migros Grand-Prix 2006, der als wichtigstes Kinderrennen in der Schweiz gilt, triumphierte Odermatt im Riesenslalom, während Bösch die Kombi-Wertung gewann.
«Unsere Trainer hatten keine Freude an uns!»
«Aber obwohl wir meistens gute Resultate abgeliefert haben, hatten die Trainer vielfach keine Freude an Marco und mir», gesteht Fabian! «Wir führten praktisch nach jedem Rennen neben der Piste im Tiefschnee zum Teil halsbrecherische Dinge auf. Oft haben wir Saltos über selbst gebaute Kicker gemacht, oder sind gefährliche Waldabfahrten hinunter gedonnert. Und nach einem JO-Rennen in Engelberg sind wir als kleine Knirpse auch einmal über einen hohen Felsen gesprungen. Marco hat den Sprung gestanden, ich bin nach einem heftigen Sturz aus der Bindung geflogen.»
Fabian und Marco waren zwölf Jahre alt, als beide auf den Freestyle-Geschmack kamen. «Back- und Frontflip haben wir zusammen gelernt», erinnert sich Bösch. In dieser Zeit meisterten die beiden auch in der Turnhalle in Emmetten die spektakulärsten Sprung-Parcours. Alex Singenberger, damals Trainer im Nidwaldner Skiverband, erinnert sich: «Fabian und Marco haben sich gegenseitig zu grandiosen koordinativen Leistungen gepusht. Bösch hat die beeindruckenden Tricks kreiert, Odermatt hat sie kopiert.»
Odermatt wollte nie Freestyler werden
Und weil Bösch spätestens nach seinem 13. Geburtstag gemerkt hat, dass ihm das Kreieren von Sprung-Tricks mehr Spass bereitet als durch blaue und rote Tore zu fahren, hat er sich in die Freestyle-Szene verabschiedet. Mit Erfolg: Der Engelberger hat mittlerweile zwei WM-Goldmedaillen im Slopestyle sowie im Big Air gewonnen. 2016 triumphierte er auch bei den X-Games im Big Air. Für Odermatt war ein Wechsel ins Freestyle-Lager nie ein Thema: «Ich hatte nie so viel Talent wie Fäbu. Mit Front- und Backflip war mein Zenit als Freestyler erreicht.»
Bösch ist überzeugt, dass Odermatt die Freestyle-Basics auch als Alpin-Rennfahrer zugutekommen: «Marco hat eine so gute Koordination, dass er auf der Piste Situationen meistern kann, in denen andere Rennfahrer ausscheiden.»
Nach dem 4. Rang in der Abfahrt greift der sechsfache Junioren-Weltmeister Odermatt heute in seiner Parade-Disziplin Riesenslalom nach seiner ersten WM-Medaille bei den Grossen. Im Weltcup-Winter hat der Buochser in 4 von 6 Riesen den Sprung aufs Podest geschafft.