Thomas Tumler stand schon mehrmals kurz vor dem Ende seiner Karriere. Doch in dieser Saison hat sich der Bündner im Schatten von Marco Odermatt (26) im Swiss-Ski-Team zur Riesen-Stütze entwickelt.
Vier von sieben Riesenslaloms hat der 34-Jährige in den Top-15 beendet. Warum liefert der einstige Kummerbub plötzlich derart konstant ab? Vereinzelt schnelle Schwünge hat der in Samnaun gross gewordene «TT» schon zu Beginn seiner Weltcup-Laufbahn ausgepackt. Aber aufgrund von heftigen Rückenproblemen konnte er sein Können nicht regelmässig abrufen.
Hawaii als Wendepunkt
Den Tiefpunkt erlebt Tumler im Januar 2017. «Auf der Heimreise von Kitzbühel hatte ich derart starke Schmerzen, dass ich nicht mehr selbständig zum Benzintanken aus dem Auto steigen konnte. In diesem Moment habe ich mich ernsthaft gefragt, ob ich mir in Zukunft das alles noch antun will.»
Um seine Gedanken zu sortieren, fliegt Tumler damals während der Heim-WM in St. Moritz in den Urlaub nach Hawaii. Auf der Pazifik-Insel kann er sein grösstes Problem lösen: «Ich habe dort ein paar Kollegen kennengelernt, die mir das passende Training für meinen Rücken gezeigt haben. Wir haben sehr viele Vulkan-Läufe gemacht. Das hat mir enorm gutgetan.»
Auch finanziell wurde es eng
Dem Anhänger vom FC Bayern München geht es nach dieser Hawaii-Kur derart gut, dass er im Dezember 2018 erstmals den Sprung aufs Weltcup-Podest schafft – Tumler fährt beim Riesenslalom in Beaver Creek auf den dritten Rang. Im Februar 2020 salutiert er als Zweiter vom Parallel-Riesen in Chamonix erneut vom Podest. Danach fällt der Riesenslalom-Spezialist in ein sportliches Loch.
Während drei Jahren klassiert sich Tumler kein einziges Mal in den Top-10. Im März 2023 bestreitet der Team-Senior in Slowenien das Rennen der letzten Chance. «Vor dem Riesenslalom in Kranjska Gora war mir klar, dass ich die Karriere beenden werde, wenn ich mich in diesem Wettkampf nicht doch noch für den Weltcup-Final qualifiziere. Ich habe zwei Jahre lang in finanzieller Hinsicht ein Minus gemacht, ich musste von meinem Ersparten leben. Das hätte ich mir nicht länger leisten können.»
Doch Tumler zieht seinen Kopf ein weiteres Mal aus der Schlinge, qualifiziert sich mit dem 16. Rang in Kranjska Gora in extremis für den Final in Andorra. Und dort glänzt der grosse Kämpfer mit dem fünften Rang.
Starke Entwicklung mit dem Odi-Ski
Den wichtigsten Schritt macht Tumler aber neun Monate später, nach dem 15. Platz beim ersten Riesenslalom in Alta Badia. Bis dahin ist «Tommy» ein anderes, etwas weicheres Stöckli-Ski-Modell als Superstar Odermatt gefahren. «Ich war anfänglich der Meinung, dass die Ski von Odi zu hart sind für mich. Vor dem zweiten Riesen in Alta Badia habe ich meinen Servicemann aber dann trotzdem gebeten, dass er mir ein ‹Odi-Modell› präpariert. Und das war die richtige Entscheidung.»
In der Zwischenzeit hat Tumler drei Top-11-Klassierungen herausgefahren. Beim letzten Riesenslalom in Palisades Tahoe verpasste er als Vierter den Podiumsplatz lediglich um 13 Hundertstel. Die Voraussetzungen, dass es diese Woche bei den beiden Riesen in Aspen mit dem grossen Coup klappt, sind gut. In Aspen sind die Schneebedingungen nahezu identisch wie in Beaver Creek, wo Tumler vor sechs Jahren seine sportliche Sternstunde erlebte.