Bittersüsser Lauberhornsieg
Mama Priska leidet mit Odermatt – und er mit Kumpel Kilde

48 Stunden nach dem Sieg auf der verkürzten Abfahrt gewinnt Marco Odermatt in überragender Manier die originale Lauberhorn-Abfahrt. Seine Freude wird jedoch durch den Crash eines guten Freundes getrübt.
Publiziert: 14.01.2024 um 00:05 Uhr
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Aktualisiert: 14.01.2024 um 11:53 Uhr
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Unmittelbar nach der Zieleinfahrt lässt Marco Odermatt ...
Foto: BENJAMIN SOLAND
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Marcel W. PerrenSki-Reporter

Marco Odermatts Mutter Priska hat rund zwei Stunden vor dem Start zur Lauberhornabfahrt kein gutes Gefühl. «Während den Abfahrten in Wengen und Kitzbühel leide ich ganz besonders, weil die Sturzgefahr auf diesen Strecken nun einmal besonders gross ist.» Den Super-G am Donnerstag hat Mama Odermatt vom Girmschbiel aus mit Blick auf den Hundschopf, Minschkante und Canadian Corner verfolgt. Diesmal setzt sie sich auf die Zieltribüne. «Ich will sehen, wie mein Sohn gesund im Ziel abschwingt.»

Gedämpfte Freude nach dem Kilde-Schocker

Um 12.50 Uhr fährt Odermatt mit Startnummer acht nicht nur unversehrt, sondern auch unglaublich schnell über den Zielstrich. Der Jahrhundert-Athlet aus dem Kanton Nidwalden ist zweieinhalb Sekunden schneller als der bisherige Leader Adrien Théaux.

Der zweifache Gesamtweltcupsieger reagiert beim Blick auf die Zeitentafel genauso emotional wie vor elf Monaten, als er bei der WM in Courchevel Gold in der Abfahrt gewonnen hat. Cyprien Sarrazin, der in der verkürzten Abfahrt hinter «Odi» am Donnerstag Zweiter wurde und im Super-G am Freitag vor dem Schweizer triumphierte, fährt mit der Nummer neun 59 Hundertstel langsamer. Jetzt steht nur noch ein Athlet am Start, der Odermatt ernsthaft gefährden kann – Vorjahressieger Aleksander Aamodt Kilde.

Doch der Norweger, der seit Tagen von Grippesymptomen geplagt wird, ist bereits vor der letzten Zwischenzeit klar geschlagen. Und im Ziel-S ereignet sich ein echtes Drama – der zweifache Abfahrtsgesamtweltcupsieger ist völlig entkräftet, verliert in der finalen Kurve die Kontrolle und fliegt in den Fangzaun! Der 31-Jährige liegt für längere Zeit regungslos am Boden und wird dann ins Spital nach mit tiefen Schnittwunden im Unterschenkel und Verletzungen an der Schulter nach Bern transportiert und operiert. Ob der Freund von Ski-Queen Mikaela Shiffrin (USA, 93-Weltcupsiege) in dieser Saison sein Comeback geben kann, ist fraglich.

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«Dominanter als Pirmin»

Marco Odermatt leidet mit dem Wikinger: «Auf der einen Seite geht für mich mit dem Sieg auf der Original-Abfahrt am Lauberhorn ein weiterer Traum in Erfüllung. Gleichzeitig schmeckt dieser Erfolg bittersüss, weil sich nach meinem Freund Marco Kohler und meinem Red-Bull-Kollegen Alexis Pinturault mit Aleksander ein weiterer sehr guter Kamerad von mir am Lauberhorn gravierend verletzt hat.» Aber natürlich überstrahlt der siebte Saisonsieg von Odermatt in Wengen das Leid der Sturz-Piloten. 38'000 Fans feiern entlang der längsten Abfahrtspiste der Welt eine überschwängliche Ski-Party.

Odermatts Riesenslalom-Trainer Helmut Krug erinnert sich an Zeiten, wo die Stimmung bei den Weltcup-Events im Berner Oberland ganz anders war. «Als 2017 beim Riesenslalom in Adelboden Manuel Pleisch als bester Schweizer Rang 23 belegt, hat mir ein Fan Prügel angedroht!» Krugs Co-Trainer Willi Dettling hat das miterlebt. «Ich habe Helmut damals geraten, dass er nach solchen Ergebnissen beim Verlassen des Zielraumes die Teamjacke verkehrt tragen soll, damit die Fans das Swiss-Ski-Emblem nicht sehen können ...»

Kriechmayr fühlt sich wegen Odi wie ein Anfänger

Doch jetzt ist das Ski-Verbands-Wappen dank Ausnahmeerscheinung Marco Odermatt hip wie nie zuvor. 31 Weltcup-Einzelsiege hat der dreifache Schweizer Sportler des Jahres auf dem Konto. Damit fehlen dem 26-Jährigen noch 9 bis zum Schweizer Rekord von Pirmin Zurbriggen. In den Augen von Verbandspräsident und Ex-Abfahrtsweltmeister Urs Lehmann hat Odermatt in einer Hinsicht den grossen Pirmin schon jetzt überflügelt. «Pirmin war ein sensationeller Athlet, aber er war nicht ganz so dominant, der Konkurrenz nie so überlegen, wie das Marco jetzt ist.»

Selbst ein ehemaliger zweifacher Wengen-Sieger und Weltmeister wie Vincent Kriechmayr kommt sich neben Odermatt ziemlich klein vor. Als Fünfter verliert der Österreicher 2,49 Sekunden und stöhnt: «Obwohl ich 32 bin, fühle ich mich derzeit wie ein Nachwuchsfahrer, der frisch im Weltcup ist und darauf hoffen muss, dass er vom alles überragenden Odermatt ein paar wertvolle Ratschläge bekommt.»

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