Auf einen Blick
Im oberen Simmental liegen 16 Kilometer voneinander entfernt die Gemeinden St. Stephan BE und Boltigen BE. Zusammen bringen es diese von der Landwirtschaft geprägten Dörfer auf lediglich 2600 Einwohner.
Aber zwei von ihnen spielen in diesem Winter auf der Welt-Bühne des Skisports eine Hauptrolle – der Boltiger Franjo von Allmen (23) und der St. Stäffner Lars Rösti (27). Von Allmen hat am Freitag im Super-G als erster Berner Oberländer seit Bruno Kernen (52), dessen Mutter Vreni ebenfalls aus Boltigen stammt, am Lauberhorn triumphiert.
In der Abfahrt vom Samstag war lediglich Superstar Marco Odermatt (27) schneller als der 23-Jährige, der vor seinem Aufstieg in die alpine Weltklasse mit Erfolg eine Lehre als Zimmermann abgeschlossen hat. Der gelernte Schreiner Lars Rösti hat auf der längsten Abfahrt der Welt (45 Kilometer) ebenfalls eine heroische Leistung abgeliefert.
Obwohl er mit der Nummer 38 die deutlich schlechteren Bedingungen vorgefunden hat als die Cracks aus der ersten Startgruppe, fuhr der Junioren-Weltmeister von 2019 mit dem achten Rang das beste Abfahrtsergebnis in seiner Weltcup-Karriere heraus.
Heftiger Schocker in der Altjahrswoche
Dabei ist Rösti in der Altjahrswoche nur knapp an einer Katastrophe vorbeigeschrammt. Der 100-Kilo-Brocken ist bei der Brutalo-Abfahrt in Bormio an der genau gleichen Stelle wie der zweifache Kitzbühel-Sieger Cyprien Sarrazin (30) abgeflogen. Aber während der Franzose eine Gehirnblutung erlitten hat, ist der Schweizer auf wundersame Weise mit ein paar Schrammen davon gekommen.
«Ich hatte in Bormio sicher sehr viel Glück im Unglück. Seit diesem Sturz habe ich aber auch die Gewissheit, dass ich meinen Körper gut trainiert habe, ansonsten wäre ich nicht derart glimpflich davon gekommen.» In der Saisonvorbereitung schwitzen Rösti und von Allmen oft gemeinsam. Beide werden im Kraft- und Konditionsbereich von Marco Odermatts Jugendfreund und WG-Kollegen Gabriel Gwerder betreut.
Für das Weltcup-Business abgehärtet wurden Franjo und Lars aber bereits in ihrer Teenager-Zeit im Berner Oberländer Ski-Verband, wo der Südtiroler Martin Veith als Coach tätig ist. «Ich habe Martin als knallharten, aber sehr fairen Schleifer erlebt. Aber wenn er gemerkt hat, dass du alles machst, was er verlangt, hat er alles für dich getan. Ich habe ihm sehr viel zu verdanken», sagt Rösti. Von Allmen pflichtet seinem Kumpel bei: «Martin hat sehr viel Gutes mit auf den Weg gegeben. Klar, als junger Bursche habe ich einige harte Momente unter ihm erlebt. Aber rückblickend betrachtet habe ich genau das gebraucht.»
Die Unbeschwertheit ist zurück
Harte Momente hat Rösti in den letzten Jahren besonders viele erlebt. Nach seinem starken Weltcup-Start 2019 (Rang 15 bei der Abfahrt in Soldeu), hat es bis im vergangenen Dezember gedauert, ehe er sich auf höchster Stufe beim Super-G in Gröden als Achter erstmals in den Top 10 klassieren konnte. «Als ich als junger Athlet in die Weltcup-Mannschaft gekommen bin, habe ich mich zu sehr von anderen verleiten lassen. Doch ab dem letzten Winter hat mir Franjo gezeigt, dass man auch dann erfolgreich sein kann, wenn man wie er seinen eigenen Stil durchzieht. Er verstellt sich wirklich nie. Durch Franjo habe die Unbeschwertheit, die ich zwischenzeitlich verloren haben, wieder gefunden.»
Dass von Allmen tatsächlich nie von seiner eigenen Linie abweicht, hat er in Wengen auch im Interview mit dem österreichischen Fernsehen demonstriert. Als ihn Star-Moderator Rainer Pariasek nach dem Super-G fragte, ob er der nächste Marco Odermatt sei, antwortet der Ausnahme-Athlet aus der Jaunpass-Region: «Nein. Es ist schön, wenn man mit solchen Top-Leuten verglichen wird. Aber ich gehe meinen eigenen Weg, ich will mir meinen eigenen Namen machen!»