Lara Gut-Behrami (32) oder Mikaela Shiffrin (28, USA) – eine der beiden wird den Gesamtweltcup gewinnen. Die Vorteile liegen klar auf Seiten der Schweizerin, sie hat 205 Punkte Vorsprung. Shiffrin kehrt erst übernächstes Wochenende in den Weltcup zurück – vorher kann Gut-Behrami in Kvitfjell (No) ihr Polster weiter ausbauen. Aber was wäre, wenn doch alles anders kommt, als wir denken?
Kaum einer spricht von Federica Brignone. Die 33-jährige Italienerin hat im Kampf um die grosse Kristallkugel 286 Punkte Rückstand. Das ist bei acht ausstehenden Rennen (4 Mal Speed, 4 Mal Technik) eine Menge. «Danke, dass Sie mich bislang vergessen haben», meint Brignone schmunzelnd zu Blick. Tatsächlich liegt der Power-Frau aus dem Aostatal die Underdog-Rolle so wie fast keiner Zweiten. Sie geht in der Position als Aussenseiterin sogar auf. «Ich denke selbst lieber, dass es nichts wird. Dass ich es sowieso nicht schaffen werde», sagt sie.
«Lara ist phänomenal»
Ist das nur Untertreibung? Könnte man meinen. Im Fall von Bringnone trifft es aber nicht zu. «Ich liebe es, Ski zu fahren. Aber ich glaube nicht wirklich an mich», gibt sie offen zu. Weder der Gesamtweltcupsieg 2020, noch Kombi WM-Gold 2023 oder die 24 Weltcupsiege haben an ihrem geringen Selbstbewusstsein etwas geändert.
«Als Kind war ich richtig schlecht im Skifahren. Ich habe viele Sportarten gemacht und stand nur wegen meiner Freunde auf den Ski.» Bei Lara Gut-Behrami (32), die 2009 mit ihr im Weltcup debütierte, sei ganz anders gewesen. «Da war schon früh klar, dass sie ein Champion wird. Lara ist phänomenal.»
Sie will «das Spiel bis zum Ende spielen»
So wie Gut-Behrami mit Vater Pauli Gut hat auch Brignone ein Familienmitglied als Coach – ihr Bruder Davide. Dazu wird sie häufig von ihrer Mutter, dem ehemaligen Slalom-Ass Maria Rosa Quario (62), unterstützt. «Bis 27 wollte ich niemand von der Familie im Winter bei mir haben. Wissen Sie, es ist hart, mit mir zu arbeiten. Heute schätze ich es aber sehr, dass sie da sind.» Tatsächlich gilt Brignone, so wenig Selbstbewusstsein sie auch haben mag, als sehr impulsiv. Das Tiger-Design ihres Helms spricht Bände. «Sie hat sich den Tiger ausgesucht, weil sie eine grosse Kämpferin ist», sagt ihre Mama.
Ob das alles reichen wird, um den Gesamtweltcup erneut zu gewinnen? Immerhin sagt Brignone: «Physisch war ich noch nie so stark. Ich bin auch nicht müde. Und so lange es theoretisch möglich ist, werde ich das Spiel bis zum Ende spielen.» Also doch noch eine kleine Kampfansage.