40 Ausnahmen beantragt: Auch Gut-Behrami (33) will nicht
Airbag-Puff bei der FIS wird immer mehr zur Farce

Skisport im Airbag-Dilemma: FIS kämpft mit Flut von Ausnahmeanträgen. Topstars wie Paris und Kriechmayr wollen ohne fahren. Experten zweifeln, ob das Obligatorium Sinn macht. Michelle Gisin: «Ich bin dagegen.»
Publiziert: 14:56 Uhr
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Aktualisiert: 16:10 Uhr
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Viel Gesprächsstoff: Der Schweizer Alpin-Direktor Hans Flatscher hat sieben Airbag-Ausnahmegesuche bei der FIS gestellt – für Europa- und Weltcup.
Foto: keystone-sda.ch

Auf einen Blick

  • FIS macht sich beim Airbag-Obligatorium zum Affen. Viele Ausnahmeanträge eingereicht
  • Neue Anbieter und Patrone-Position beeinflussen Entscheidungen der Skifahrer
  • 40 Anträge für Ausnahmebewilligung, davon 16 allein aus Österreich
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Mathias GermannReporter Sport

Ist es zum Weinen oder zum Lachen? Die FIS macht sich jedenfalls beim Airbag-Obligatorium weiterhin zum Affen. Gemäss Blick-Infos sind von den verschiedenen Ski-Verbänden 40 (!) Anträge für eine Ausnahmebewilligung in Oberhofen BE am Sitz des Weltverbandes reingeflattert. 16 davon alleine aus Österreich, wo mehrere Speedfahrer (Männer und Frauen) das neue Schutzsystem nicht tragen wollen. «Mit der Möglichkeit von Ausnahmen hat sich die FIS lächerlich gemacht. Denn so ist es kein Obligatorium. Wer nicht will, trägt wie im letzten Winter auch diesmal kein Airbag», sagt ein Insider zu Blick.

Offenbar schmeckten die vielen Extrawurst-Anträge der FIS gar nicht. Sie verlange von mehreren Verbänden darum, spezifischere Details einzureichen, warum genau ihre Athleten auf den Airbag verzichten wollen. Das Problem: Sie hat keine rechtliche Grundlage, um jemanden zu einem Tragen des Airbags zu zwingen.

Zwar sagt FIS-Generalsekretär Michel Vion: «Für die FIS kommt die Sicherheit der Athleten an erster Stelle. Sie ist nicht verhandelbar.» Gleichzeitig heisst es im Reglement: «Ausnahmen können vom nationalen Skiverband für den Fall gewährt werden, dass der Airbag einem Sportler nicht passt, sodass er seine Bewegung auf unsichere Weise einschränkt.»

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Patrone bringt Gisin zum Umdenken

Und so werden aller Voraussicht nach beim Speed-Auftakt der Männer in Beaver Creek (6. und 7. Dezember) Dominik Paris (35, It) und Vincent Kriechmayr (32, Ö) keinen Airbag tragen. Weil er ihnen nicht passt, sie vom System nicht überzeugt sind, oder beides. Dabei geht es nicht um mögliche Nachteile beim Tempo – einige Fahrer sind überzeugt, dass man mit dem Airbag sogar aerodynamischer unterwegs sei. Viel mehr fühlen sie sich nicht wohl oder haben Angst vor Fehlauslösungen.

Michelle Gisin (30) spricht jedenfalls vielen Ski-Profis aus der Seele, wenn sie sagt: «Ich war nie gegen den Airbag, bin aber nach wie vor gegen ein Obligatorium. Weil wir noch nicht so weit sind, dass wir in jedem Fall eines Sturzes besser geschützt sind.»

Vor allem der Fakt, dass bei Hersteller Dainese die Patrone, welche den Airbag auslöst, offenbar direkt auf der Wirbelsäule liegt, sei für sie nicht akzeptabel gewesen. «Damit hätte ich nicht starten wollen und können.» Weil es mit In&Motion nun einen neuen Anbieter gibt, bei dem die Patrone anders gelagert ist, werde sie den Airbag nun aber erstmals tragen, so die zweifache Kombi-Olympiasiegerin.

«Wir haben nur S, M und L»

Swiss-Ski hat insgesamt sieben Ausnahme-Anträge bei der FIS eingereicht – Männer und Frauen, Europacup und Weltcup, inklusive. Schon bald wird man erfahren, um wen es sich dabei handelt – die Frauen fahren eine Woche nach den Männern ebenfalls ihre ersten Speed-Bewerbe in Beaver Creek. Während Gesamtweltcupsieger Marco Odermatt (27) seit langem mit Airbag fährt, dürfte sein Pendant bei den Frauen, Lara Gut-Behrami (33), weiterhin darauf verzichten.

Italiens Frauen-Teamchef Gianluca Rulfi meint: «Ich halte den Airbag für eine Übertreibung zwischen Kosten und Nutzen. Solange er nicht besser ist, reicht für mich der normale Rückenprotektor.» Derzeit kostet er zwischen 500 und 900 Franken, wird aber immer günstiger.

Roland Assinger, Boss der österreichischen Ski-Cracks, nennt einen weiteren Aspekt: die Passform. «Der Airbag kommt vom Motorradsport. Dort sind die Fahrer im Schnitt alle zwischen 1,70 m und 1,75 m und 60 Kilo leicht. Im Skisport ist das ganz anders, die Körperform von Vincent Kriechmayr und Gut-Behrami kann man nicht vergleichen. Und weil wir nur S, M, und L haben, passt der Airbag halt einigen nicht.»

Für Experte ist die Ausnahmeregelung irreführend

Charly Waibel ist Bundestrainer Wissenschaft und Technologie beim Deutschen Skiverband. Von 2011 bis 2023 war er in einer FIS-Arbeitsgruppe, die sich intensiv mit dem Airbag befasste. «Am Ende des Prozesses kamen wir zu dem Fazit, von einer verpflichtenden Einführung abzuraten», erzählt er Blick. Man habe diese Position argumentativ hinterlegt, so der ehemalige Männer-Cheftrainer.

Die FIS wollte davon aber offensichtlich nichts wissen. Waibel: «Die aktuelle Regelung, den Airbag einerseits verpflichtend einzuführen, gleichzeitig aber diese Ausnahmeregelung zu formulieren, ist für mich daher irreführend.»

Und so dürfte das Affentheater spätestens dann, wenn die Speed-Fahrer ins Geschehen eingreifen, weitergehen. Die FIS hat es selbst zu verantworten.

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