Schon am Samstagnachmittag war Priska Nufer überglücklich. In der ersten Abfahrt von Crans Montana wurde sie Vierte und strahlte. Zwar verpasste sie ihre Podest-Premiere äusserst knapp, feierte aber das beste Ergebnis ihrer Karriere. Zu Blick sagte sie deshalb: «Ich hatte mit der Nummer 30 eher einen Nachteil. Am Sonntag werde ich eine tiefere Nummer haben. Mal schauen...»
Ob Nufer hellseherische Fähigkeiten hat, ist nicht bekannt. Aber in der zweiten Abfahrt am Sonntag nutzt sie ihre frühere Startnummer 2 gnadenlos aus. Erster Weltcupsieg, und das im 144. Weltcup-Rennen und im reifen Alter von 30 Jahren! Ein emotionaler Moment. Klar, dass da die Tränen fliessen. «Endlich Tränen der Freude und nicht der Enttäuschung», erklärt sie sichtlich gerührt.
«Die Erkrankung hat mir zu schaffen gemacht»
Dass Nufer nun zum ersten Mal zuoberst auf einem Weltcup-Podest stehen darf, hätte sie sich vor wenigen Wochen wohl nicht mal erträumen können. Anfang Januar hatte sie Corona. «Die Erkrankung hat mir zu schaffen gemacht.»
Wenig später die nächste Enttäuschung. An den Olympischen Spielen in Peking scheiterte sie für die Abfahrt in der internen Qualifikation. Ihr blieb als schwacher Trost nur der Start in der Kombination, in der sie im Slalom ausschied.
Doch jetzt sind zumindest für den Moment all die Zweifel und Sorgen weg. Olympiasiegerin Michelle Gisin, wie Nufer eine Obwaldnerin, freut sich für ihre Teamkollegin: «Es ist wunderschön. Priska kenne ich vom Team schon am längsten. Seit ich acht Jahre alt bin, fahren mir Rennen gegeneinander.»
Nufer habe dabei regelmässig Pech gehabt, sagt Gisin. «Ich hatte oft den Eindruck, dass genau in dem Moment, in dem Priska startet, eine Wolke am blauen Himmel auftaucht und die Sonne verdeckt.»
Auch Olympiasiegerin Lara Gut-Behrami, die nur 19. wird, ist voll des Lobes. «Priska hat immer hart gearbeitet und war im Sommer oft schnell. Ein vierter oder fünfter Platz ist schön, aber ein Sieg ist etwas anderes. Das freut mich sehr. Sie soll den Tag geniessen.»
Vier Schweizerinnen in den Top Ten
Nufer ist nicht die einzige Schweizerin, die am Sonntag in Crans Montana brilliert. Mit Corinne Suter (4.), Michelle Gisin (8.) und Joana Hählen (9.) klassieren sich gleich vier unter den ersten Zehn.
Doch der Tag gehört ganz und allein Priska Nufer. Der Tag, an dem aus der lachenden Vierten die weinende Erste wurde.