Es war schon immer so und wird auch noch lange so bleiben: Am Unspunnen-Schwinget zählt der Sieg und nichts anderes. Kränze gibt es in Interlaken BE keine. Das einzige Erinnerungsstück, das die Schwinger mit nach Hause nehmen können, ist der Preis aus dem Gabentempel.
Schon als sechster Schwinger, viel früher, als er es erwartet hätte, darf der Südwestschweizer Steven Moser (27) sich in diesem Zelt voller Glocken, Möbel, und Maschinen umschauen. Für viele Schwinger wäre die Sache klar gewesen. Sie hätten den Geldwert des letzten verbleibenden Lebendpreises gewählt. Das sind mindestens 6000 Franken, ein stolzer Batzen. Doch Moser, der seine Platzierung selbst kaum glauben kann, zeigt nach kurzem Überlegen auf eine riesige Treichel mit aufgesticktem kanadischen Wappen und trägt sie beidhändig und mit breitem Grinsen aus dem Gabentempel heraus.
Auch die Treichel ist um die 6000 Franken wert. Das ist dem Freiburger aber egal. «Geld kommt und geht», sagt Moser zu seiner Wahl. «Aber ich weiss nicht, ob ich jemals wieder so gut schwingen werde, wie heute. Darum wollte ich ein richtig schönes Andenken an den Tag.» Dass die Treichel von einem Schwingerfreund aus Kanada gestiftet wurde, hat die Sache noch klarer gemacht. Moser besitzt neben dem Schweizer Pass auch den kanadischen.
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Für einen etwas handlicheren Preis hat sich der Thurgauer Domenic Schneider (29) entschieden. Einen Feriengutschein über 5000 Franken fürs Haslital nimmt er von Interlaken nach Hause. Daran habe die Frau auch Freude. Vermutlich im Gegensatz zur Harley, die er vergangenen Sommer in Pratteln BL ausgewählt hatte. Aus den Plänen, Motorradfahren zu lernen, wurde nichts, die Harley hat mittlerweile den Besitzer gewechselt. Den Feriengutschein will «Dodo» definitiv selbst einlösen und im Winter auf die Piste.
Erst dauerts, dann gehts fix
Die Prozedur, bis sämtliche 120 Schwinger sich für einen Preis entschieden haben, dauerte mehrere Stunden. Jeder Einzelne geht bei Gaben-Chef Chrigel Tschiemer vorbei. «Es gab ein paar, die mit klaren Vorstellungen gekommen sind. Ich will ein Erinnerungsstück, oder ich brauche ein neues Velo. Und andere zögern länger, fragen noch die Partnerin, müssen sich überlegen, ob sie überhaupt Platz haben für den Preis. Das zieht sich dann ganz schön in die Länge.» Je später der Abend, desto dünner die Auswahl im Gabentempel. «Zum Schluss waren fast nur noch Gebrauchsgegenstände vorhanden», erzält Tschiemer. Ein Dusch-WC, der Tresor oder die Schneefräse gehörten zu den am wenigsten begehrten Gaben.
Wer seinen Preis nicht am Sonntagabend direkt mit nach Hause genommen hat, konnte bis Montagmittag den Transport organisieren. Ein sehr kurzer Zeitraum, um wie im Fall von Sven Schurtenberger (32) beispielsweise zu klären, wie ein massiver, steinerner Grillkamin aus Interlaken zu ihm nach Hause ins Luzernische kommen soll. Aber Gabenchef Tschiemer kann sich auf die Schwinger verlassen. Am Montagnachmittag hat sich der Gabentempel wieder zurück in ein leeres, weisses Festzelt verwandelt.
Der Rum-Besitzer bleibt anonym
Wer sich übrigens das Eichenfass voll 65-prozentigem Rum geschnappt hat, bleibt ein Geheimnis. Der Schwinger, der sich für diesen Preis entschieden hat, wird den edlen Schnaps, ganz nach den Empfehlungen des Gabenchefs, nicht öffnen, sondern ihn als Wertanlage aufbewahren und irgendwann weiterverkaufen. Denn seine Meinung ist klar: Alkoholkonsum und Spitzensport, das vertrage sich einfach nicht.