Der Eurovision Song Contest steht nicht im Verdacht, einen markanten Beitrag zur allgemeinen Bildung der Gesellschaft beizutragen. Das hat sich in den letzten Tagen dank Nemo massiv geändert.
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Nicht nur, weil querbeet (oder neu queerbeet?) Entzücken und Begeisterung herrscht. Über eine künstlerisch herausragende Vorstellung eines Menschen, der mit seinem Profil perfekt dem Zeitgeist entspricht. «Was bin ich?» war früher ein heiteres Beruferaten mit Robert Lembke. Heute ist das anders.
Die bildende Komponente des Husarenstücks von Nemo besteht darin, dass nun Herr und Frau Schweizer (und alle andern) bis ins letzte Tal und an den hintersten Stammtisch wissen, was «non-binär» bedeutet. Und dieser Begriff nicht aus dem Physikunterricht stammt. Und auch nichts mit dem biologischen Geschlecht zu tun hat. Sondern ein «genderfluides» Empfinden ist.
Auch im Muotatal feiert man Nemo. Wie überall werden auch dort Tabus gebrochen und geraten simple Schubladisierungen ins Wanken. Auch dort spürt man, wie divers die Gesellschaft geworden ist.
Im Muotatal war vor einigen Jahren der viel zu früh verstorbene Handballer Wayne Gwerder der erste dunkelhäutige Einwohner. Seine Sportkollegen nannten ihn «Dr Einzig». Daraus hat der pfiffige Gwerder eine Geschäftsidee gemacht und eine eigene Mützen-Marke entwickelt. Und damit nationale Bekanntheit erlangt. Den zweiten dunkelhäutigen Einwohner hat man im Tal dann «Dr Andr» genannt.
Jetzt hat das Muotatal den ersten dunkelhäutigen Schwinger. Kitho Regli heisst der 1,93 Meter grosse und 105 Kilogramm schwere Modellathlet. Regli, dessen Vater aus Angola stammt, ist mit seiner Mutter auf dem Bauernhof der Grossmutter in Hospental aufgewachsen. Und hat später die Bauernschule mit Bestnoten abgeschlossen. Als Junger hat er geschwungen.
Nach dem Umzug mit seiner Frau ins Muotatal hat er sich nach längerer Pause im Januar dem Schwingklub angeschlossen. Und bei seiner ersten Teilnahme am Schwyzer Kantonalen vor einer Woche einen überzeugenden Auftritt gehabt.
«Ich fühle mich zu 100 Prozent als Schweizer, und mich hat das Schwingen mit seiner Tradition immer fasziniert», sagt Regli im «Boten der Urschweiz». Und er erklärt pragmatisch die wenigen Vorurteile, die es noch gibt: «Vorurteile gehören einfach zum Menschen dazu. Das ist evolutionsbedingt, bereits die Urmenschen hatten solche.»
Der Westschweizer Winzersohn Harald Cropt war vor Jahren der erste dunkelhäutige Schwinger. Mit Sinisha Lüscher mischt nun ein grosses Talent die Szene auf. Und mit Regli sowie dem jungen, ebenfalls talentierten Einsiedler Martin Schönbächler lassen weitere dunkelhäutige Athleten die Sägemehlspäne fliegen.
Vor drei Jahren hat sich Spitzenschwinger Curdin Orlik als homosexuell geoutet. Ein wenig Staub hat das nur ganz kurz aufgewirbelt.
Zurück zu Nemo. Hier stellt sich einzig noch die Frage: Wann steht der erste non-binäre Schwinger im Sägemehl? Der wertkonservative Schwingsport wird sich weiter verändern, und der Stumpen wird nicht bis in alle Ewigkeit das primäre Geschlechtsmerkmal sein.
Der Prozess verläuft reibungslos. Schwinger sind nicht hinter den sieben Bergen zu Hause. Sie pflegen die Tradition. Und leben die Toleranz.