Übrigens – die SonntagsBlick-Kolumne
Führungsseminar? Reiten!

Reiten heisst auch führen. Aber es hat seine Tücken. Die Kolumne von Reporter Felix Bingesser.
Publiziert: 28.04.2024 um 21:29 Uhr
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Aktualisiert: 28.04.2024 um 22:06 Uhr
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Reiten lehrt viele wichtige Aspekte der Führungskompetenz.
Foto: Marc Schumacher/freshfocus

Im Laufe eines Berufslebens wird man vom Arbeitgeber für allerlei Kurse aufgeboten. «Management und Leadership», «Führungskompetenztraining», «Moderne Führung in der Praxis» und allerhand andere Pflichtseminare kommen da im Laufe der Jahrzehnte zusammen.

Die Abläufe sind immer dieselben. Ein penetrant motivierter Coach mit Mikrofon und Knopf im Ohr und einem Stundenlohn von 500 Franken tanzt wild gestikulierend vor der Gruppe herum. Und jeder erzählt den gleichen Firlefanz. Was hängengeblieben ist? Nichts!

Statt Tausende von Franken auszugeben, sollten Firmen ihre Führungskräfte besser in den Reitunterricht schicken. Beim Misten des Stalles erkennt man, wie an der Basis gearbeitet wird. Und auf dem Rücken eines Pferdes nützt dann das «Führungskompetenztraining» herzlich wenig, wenn der Gaul nicht das macht, was man will.

In Vertretung meiner reitbegeisterten Tochter wird mir jedenfalls seit einigen Monaten zum Teil auf äusserst schmerzhafte Art vor Augen geführt, dass meine Führungsqualitäten stark ausbaufähig sind. Als Sohn eines Kavalleristen sass ich zwar schon als Kind ab und zu auf einem Pferd. Ansonsten aber beschränkte sich mein Wissen über diese edlen Tiere auf die Filme mit John Wayne und die unvergessene Serie «Bonanza». Und den prächtigen Hengst von Hauptdarsteller Hoss Cartwright, der trotz ordentlicher Korpulenz elegant durch die Prärie galoppierte.

Geduld ist die Devise

Zuckerbrot und Peitsche, die Zügel in die Hand nehmen, partnerschaftlich ein eigenwilliges Tier führen, das über ein Vielfaches an Kraft verfügt. Der tägliche Umgang mit dem Pferd hilft, so die erste Erkenntnis, viel weiter als der Kurs «Leadership und Management».

Am Anfang waren es mit dem Pferd «Dony» nur Spaziergänge. Bis «Dony» einmal die unbändige Lust verspürte, frisches Gras zu fressen, ich aber weiterspazieren wollte. Drei Galoppsprünge später wurde ich vom ausscherenden Tier durch die Luft geschleudert und blieb mit einem Muskelfaserriss und blutenden Schürfungen auf dem Kiesweg liegen. Das Pferd graste gemütlich auf der Wiese. Ich glaube, ich konnte sogar ein kleines Lächeln erkennen.

Seither sitze ich oben und meistens relativ fest im Sattel. Dass man die Zügel nicht schleifen lassen kann und das Zusammenspiel von Reiter und Pferd auf Gehorsam, aber auch verständnisvollem Teamgeist aufgebaut ist, lernt man relativ schnell. Mit dem Zuckerbrot, also den Pferdeguetzli, geht es definitiv besser als mit der Peitsche.

Nur die Sache mit dem in dieser Jahreszeit saftigen Gras macht weiter Kummer. Dass das Pferd nicht dankbar und folgsam ist, wenn man es zwei-, dreimal fressen lässt, sondern danach ständig fressen will, wird zur Herausforderung. Und es ist nur durch Konsequenz zu verhindern. Getreu dem Führungsgrundsatz: Gib ihm den kleinen Finger, dann will er die ganze Hand. Das wird, glaube ich, auch im Kurs «Moderne Führung in der Praxis» gelehrt.

Andererseits: Wer gross und stark werden will, muss halt Gras fressen.

PS: Sollten Sie ein lächelndes Pferd auf einer Wiese und einen Mann danebenliegen sehen, wählen Sie bitte die Notrufnummer 144. Denn das Glück dieser Erde liegt nicht immer auf dem Rücken der Pferde.

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