Eidgenosse kritisiert SRF
Der Gang an den Brunnen, das Anziehen der Zwilchhosen, der letzte Schluck aus der Trinkflasche und immer steht ein Kameramann daneben. Das seit einigen Jahren die neue Realität für die Spitzenschwinger. «Ich musste mich daran gewöhnen, aber es geht immer wie besser», sagt der Eidgenosse Domenic Schneider. Gibt dann aber auch offen zu: «Manchmal ist es schon ein wenig mühsam.» Um den Sägemehlring stehen mehrere TV-Kameras vom Schweizer Radio und Fernsehen (SRF). Diese sorgten bei Dodo nach dem ersten Gang für Kopfschütteln. «Die Kameras waren zu nahe am Sägemehlrand. Das ist gefährlich.»
Auf Blick-Anfrage nimmt SRF zu der Kritik Stellung. Sie schreiben: «SRF hat bei einigen Schwingfesten eine neue Kamera eingesetzt, um dem TV-Publikum attraktive Bilder aus den Schwingarenen zu bieten. In einigen Fällen musste die Kamera dafür aber zu nahe an die Athleten ran. Dieses Problem hat SRF erkannt und passt derzeit das Setting entsprechend an. Es ist uns ein grosses Anliegen, dass sich die Schwinger durch die Übertragung nicht gestört fühlen. Wichtig ist: Es gibt an den Schwingfesten auch Kameras von anderen, regionalen TV-Stationen.»
Kurioses Bild im ersten Gang
«Wo sind die Schwinger?», fragt sich manch ein Zuschauer am Sonntagmorgen. Während des ersten Gangs am Innerschweizer Schwingfest sind sechs von sieben Ringen minutenlang leer. Gleiches geschieht auch im zweiten Gang. «Das habe ich noch nie erlebt», sagt ein langjähriger Schwing-Fan. Ein anderer reagiert verärgert: «Und für das bin ich so früh aufgestanden?»
Immer wieder ruft das Speaker-Team um SRF-Moderatorin Fabienne Gyr die fehlenden Schwinger auf – mit mässigem Erfolg. Irgendwann folgt eine klarere Ansage: «Auch wenn die Wetterbedingungen nicht so freundlich sind, bitten wir die Schwinger, sich frühzeitig hinter den zugeteilten Plätzen aufzuhalten.»
Wer sich bei den Schwingern nach den Gründen für die Verspätung erkundigt, erhält unterschiedliche Antworten. Einige machen den langen Weg von der Garderobe in die Arena dafür verantwortlich. Dieser beträgt knapp 200 Meter. Zudem verbreitet sich das Gerücht eines möglichen Hacker-Angriffs. Seit der letzten Saison arbeiten die Kampfrichter mit Tablets und einem komplett neuen Ranglistenprogramm. Dort werden sämtliche Paarungen laufend aktualisiert.
Auf Blick-Anfrage dementiert das OK jegliche Hacker-Gerüchte. Allerdings habe es eine technische Panne gegeben. «Kurzzeitig ist der Bildschirm des Speaker-Teams ausgefallen. Ein Blindflug für ein paar Minuten», sagt Medienchefin Joëlle Guldin. Die Tablets der Schiedsrichter funktionierten aber immer.
Räbmatter kämpft mit ISAF-Fluch
In der Innerschweiz will es für Patrick Räbmatter nicht so recht klappen. Bereits viermal nahm der Eidgenosse als Gast am Teilverbandsfest teil. Noch nie konnte er mit einem Kranz nach Hause gehen. So auch nicht am Sonntag in Menzingen ZG. Und das, obwohl er stark ins Fest startete. Im ersten Gang bezwang der 150-Kilo-Koloss den Eidgenossen Christian Schuler. Dieser musste das Fest später mit Knieproblemen aufgeben.
Der zweite Kampf gegen den Teilverbandskranzer Marco Fankhauser endete Gestellt. Vor dem Mittag erhielt er König Joel Wicki zugeteilt. Damit wies Räbmatter am Morgen das stärkste Notenblatt aller Teilnehmer auf. Beinahe hätte der frühere Fussballgoalie Wicki auf den Rücken gedreht. Kurz nach der verpassten Siegeschance lag er selber auf dem Buckel.
Mit zwei weiteren Gestellten verlor er am Nachmittag jegliche Kranzchancen. Nicht besser erging es seinem Nordwestschweizer Kollegen Adrian Odermatt. Mit fünf Gestellten und nur einem Sieg klassierte sich der Eidgenosse deutlich ausserhalb der Kranzränge. Der Sensationsmann vom Eidgenössischen in Pratteln sucht nach der Verletzung im letzten Jahr seine Topform. Eine neue Kranzchance bietet sich ihm und Räbmatter am kommenden Sonntag auf der Rigi.
Die komplette Sammlung
Ein «grosser» Kranz hat in der Sammlung des Domenic Schneider (30) bisher gefehlt. Derjenige des Innerschweizer Teilverbandsfestes. Nun ist diese Lücke gefüllt. Der Thurgauer hat jetzt von allen Teilverbandsfesten (Innerschweizer, Berner, Südwestschweizer, Nordwestschweizer und Nordostschweizer) und Bergfesten (Rigi, Schwarzsee, Brünig, Schwägalp, Schwarzsee und Weissenstein) sowie dem Eidgenössischen einen Kranz zu Hause. Auch, weil er vor einem Monat schon auf dem Stoos erfolgreich war und dort ebenfalls erstmals Eichenlaub holte.
Der Start in die Kranz-Mission am Innerschweizerischen misslang Schneider. Nach dem Gestellten im ersten Gang gegen den späteren Festsieger Marcel Bieri, lag er im zweiten Kampf nach wenigen Sekunden auf dem Rücken. Gebodigt vom Comeback-Mann Noe van Messel. «Ich wusste, jetzt darf ich mir keinen Fehler mehr erlauben.» Entsprechend konzentriert geht der Thurgauer fortan zu Werke. Viermal gewinnt er souverän und sichert sich trotz des schlechten Starts den Kranz. «Ich hatte heute sicher auch Glück, dass mir die Einteilung machbare Aufgaben zugeteilt hat. Im letzten Gang hatte ich eine faire Chance auf den Kranz». Den erfolgreichen Tag von Domenic Schneider komplettierte sein Bruder Mario mit dem Festsieg am Appenzeller Kantonalen.
Diagnose nach Kranz-Drama
Was einige befürchtet haben, ist nun offiziell. Jeremy Vollenweider hat sich am Nordostschweizerischen Schwingfest den Mittelhandknochen gebrochen, wie er dem Blick mitteilte. Es passierte im zweiten Gang. Der Sieger des diesjährigen Bündner-Glarner Schwingertages fiel auf sein rechtes Handgelenk. Gleichzeitig knallte sein Gegner auf ihn drauf. Trotz Schmerzen kämpfte der Polier weiter und sicherte sich am Abend sensationell den Kranz. «Das Handgelenk war blau, gelb, rot, schwarz und stark angeschwollen.» Nun fällt er wochenlang aus.
Die ewige Bestenliste
Anfang des 20. Jahrhunderts hat Jakob Kull (1894-1967) das Innerschweizer Schwingfest fünfmal gewonnen. Der Aargauer triumphierte 1916 sowie von 1919 bis 1922. Damit ist Kull nach wie vor Rekordsieger – allerdings haben zwei Schwinger mit ihm gleichziehen können: die beiden Schwyzer Geni Hasler (59) und Heinz Suter (49). Hasler liess sich von 1989 bis 1991 sowie 1993 und 1994 als Sieger schultern, Suter tat es ihm 1997, von 1999 bis 2001 sowie 2005 gleich. Hinter dem Trio folgt ein Duo, welches das ISAF viermal gewinnen konnte.
Der erste Erfolg des Zugers Leo Betschart (1955-2021) datiert aus dem Jahr 1980, fünf Jahre später gewann er erneut und wiederholte das ganze 1987 und 1988. Martin Grab (45) aus dem Kanton Schwyz feierte seinen ersten ISAF-Erfolg 2002 und verteidigte in den beiden folgenden Jahren seinen Titel. 2006 gewann er erneut. Auch Joel Wicki hätte in diesen erlauchten Kreis vorstossen können. Doch der amtierende König verpasst in Menzingen ZG den Titel-Hattrick und bleibt vorerst bei drei Triumphen (2018, 2022 und 2023).