Der grosse Saison-Rückblick
Tränen-Inti, Rigi-Debakel und ein emotionales Telefonat

Die Schwing-Saison ist vorbei. Blick schaut zurück auf einige der aufregendsten Geschichten. Zu reden gaben eine tolle Schlussgang-Geste, ein Verletzungs-Rätsel und das Verhalten des Publikums.
Publiziert: 10.09.2024 um 20:19 Uhr
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Aktualisiert: 10.09.2024 um 20:25 Uhr

Der Überflieger

Sechs Kranzfestsiege, dazu der Titel am Jubiläumsfest. Fabian Staudenmann (24) prägte den Schwingsport in diesem Sommer wie kein anderer. Im Schlussgang des Berner Kantonalen bodigte er erstmals Unspunnensieger Samuel Giger. Selbst lag der Mathematikstudent nie auf dem Rücken. Von 78 Gängen gewann er deren 64. Kein Schwinger ist derart komplett wie der Mann aus Guggisberg BE. Damit geht er als Topfavorit auf den Königstitel in die nächste Saison. Ende August steigt in Mollis GL der zweitägige Kampf um die Schwing-Krone. 

Staudenmanns Rettung und Sieg in extremis gegen Giger
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Heimsieg im Mega-Schlussgang:Staudenmanns Rettung und Sieg in extremis gegen Giger

Die schönste Geste

Der Schlussgang auf dem Weissenstein dauert keine 20 Sekunden. Patrick Räbmatter (32) legt sich quasi selbst auf den Rücken. Sein Schlungg-Versuch fängt Armon Orlik gekonnt ab. Was danach passiert, ist an Fairness nicht zu überbieten! Schlussgang-Verlierer Räbmatter hebt Festsieger Orlik auf seine Schultern. «Das bin einfach ich. Das habe ich schon an den regionalen Schwingfesten so gemacht.» Orlik selbst staunte nicht schlecht: «So etwas habe ich noch nie erlebt. Ich wusste nicht, was machen.» Gemeinsam liessen sich die beiden von den 4500 Zuschauern feiern.

Ein grosser Sportsmann: Patrick Räbmatter schultert seinen Bezwinger Armon Orlik.
Foto: keystone-sda.ch

Das emotionalste Telefonat

Noch auf dem Schwingplatz wählt Luca Müller (20) die Nummer seines Vaters. Dieser befindet sich in den Ferien. «Er hat am Telefon nur gejubelt. So wie die ganze Familie», erzählt er kurz darauf. Müller sicherte sich auf dem Brünig seinen ersten Bergkranz. Dabei erlitt er noch im Frühling einen Rippenbruch. «Da ist eine kleine Welt zusammengebrochen.» Auf dem Brünig bezwang der Zuger im Kampf um das begehrte Eichenlaub den Berner Eidgenossen Philipp Roth. Ein ganz besonderer Moment. Bestimmt auch für seinen Vater, der 2011 auf dem Brünig im Schlussgang stand. Der zweifache Eidgenosse Bruno Müller (46) verlor damals gegen König Matthias Sempach.

Luca Müller (l.) gewann 2021 den Eidgenössischen Nachwuchsschwingertag im Jahrgang 2004.
Foto: foto-net / Albert Rene Kolb

Die traurigste Meldung

2010 wird Kilian Wenger überraschend Schwingerkönig. 5094 Tage später verkündet er das Ende seiner Karriere. Rückenbeschwerden, in den vergangenen Jahren sein ständiger Begleiter, zwingen ihn mit 34 Jahren dazu. Den letzten Kampf gegen Steven Moser auf dem Brünig verliert Wenger und verpasst den Kranz. Am Tag darauf fällt der Rücktrittsentscheid. Seine beeindruckende Karrierebilanz: fünf eidgenössische Kränze, 23 Kranzfestsiege und 110 Kränze. Offiziell hängt Wenger die Zwilchhosen am Berner Kantonalen an den Nagel. Dort wird er noch einmal gebührend gefeiert.

Kilian Wenger verkündet hier seinen Rücktritt
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Der Böse wird emotional:Kilian Wenger verkündet hier seinen Rücktritt

Der langweiligste Schlussgang

Gähn-Alarm auf dem Brünig! Eigentlich verspricht das Innerschweizer-Duell zwischen Pirmin Reichmuth und Joel Wicki viel Spektakel. Doch der diesjährige Brünig-Schlussgang war an Langeweile kaum zu überbieten. Einige Zuschauer verliessen die Arena vorzeitig. Dank dem Gestellten jubelte Reichmuth über den Festsieg. Am Tag darauf erklärte Wicki-Coach Daniel Hüsler: «Joel fühlte sich beim Greifen nicht wohl.» Weil sich der König nach dem verpassten Festsieg neben dem Sägemehlring ärgerte, warfen ihm einige Zuschauer unsportliches Verhalten vor.

Im Brünig-Schlussgang zwischen Pirmin Reichmuth (l.) und Joel Wicki läuft nicht viel.
Foto: keystone-sda.ch

Der Aufsteiger

Wie von Blick angekündigt, ist es Fabio Hiltbrunner (19). Der Emmentaler gewinnt sensationell das Jubiläumsfest in Appenzell. Der Landi-Mitarbeiter bodigt König Joel Wicki und Mitfavorit Werner Schlegel. Nur gegen Unspunnensieger Samuel Giger fällt er auf den Rücken. Fünf seiner insgesamt acht Kränze sicherte er sich in dieser Saison. Nun muss er zuerst sich an den ganzen Rummel gewöhnen. «Ich stehe nicht so gerne im Mittelpunkt.» Wenn im Frühling die Kranzfestsaison wieder beginnt, werden alle Augen auf den Überraschungsmann gerichtet sein. Der einst nur zum Schwingen kam, weil ihn die Preis-Vergabe im Fussball störte. «Nur der Verein bekam etwas. Wir Spieler nie. Deshalb musste ich mir immer selber etwas kaufen.»

Grund für Schwing-Karriere könnte süsser nicht sein
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Hiltbrunner als Kind bei SRF:Grund für Schwing-Karriere könnte süsser nicht sein

Das Tränen-Interview

Philipp Roth (29) durfte sich bereits zwei eidgenössische Kränze aufsetzen lassen. An einem Teilverbands- oder Bergfest ging er jedoch immer leer aus – bis am diesjährigen Berner Kantonalen. «Es ist unbeschreiblich. Endlich hat es geklappt», sagt der Berner mit Tränen in den Augen. Nicht unschuldig an diesem Erfolg ist Schwingerkönig Christian Stucki. «Am Schwarzsee hat mir Stucki ins Gewissen geredet. Das braucht es manchmal.» Sollte er seine Leistungen nicht bringen, drohte der König mit Konsequenzen. Welche das waren, will Roth nicht verraten. «Zum Glück hat sich das jetzt sowieso erledigt», meint er schmunzelnd.

Endlich geschafft: Nach unzähligen Enttäuschungen gewann Philipp Roth am Berner Kantonalen seinen ersten Teilverbandskranz.
Foto: keystone-sda.ch

Die schlimmste Verletzung

Joel Strebel (27) ist zu Beginn der Saison in der Form seines Lebens. Der Nordwestschweizer Eidgenosse gewinnt das Solothurner, Baselstädtische (mit sechsmal Maximalnote!) und Aargauer Kantonale. Doch dann schlägt die Verletzungshexe zu. Er reisst sich auf dem Stoos das Kreuzband – OP und Saisonende. Bitter! Seine Familie ist für ihn da und hilft ihm durch die schwierige Zeit. Das Comeback peilt Strebel für Ende Juni 2025 an. Und sieht darin auch einen Vorteil. Im Hinblick auf das ESAF «bin ich vielleicht frischer als die anderen, die schon einige Schwingfeste hinter sich haben», sagt er zu Blick.

Joel Strebel ist mitten in der Reha nach seinem Kreuzbandriss.
Foto: Pius Koller

Der grösste Pechvogel

«Ich war noch nie so heiss auf einen eidgenössischen Anlass wie in diesem Jahr!», meint Pirmin Reichmuth (28) Ende Juli zu Blick. In Appenzell bleibt dem Pechvogel aber nur die Zuschauerrolle. Ein stark überbelastetes Knie verhindert die Teilnahme. Nicht der erste Rückschlag, denn die Karriere des Zugers gleicht einem Drama. Als Reichmuth mit 18 Jahren beinahe Unspunnen-Sieger Daniel Bösch bodigt, sagen ihm viele Experten eine grosse Zukunft voraus. Doch Verletzungen bremsen ihn immer wieder aus. Von vier Kreuzbandrissen kämpft er sich zurück. Nun muss er es ein weiteres Mal tun. Richtig viel Pech hatte Sven Schurtenberger am Jubiläumsfest. Im vierten Gang gegen Adrian Walther riss sich der Luzerner das Kreuzband. Jetzt ist sogar das Eidgenössische Schwingfest im nächsten August in Gefahr. 

Pirmin Reichmuth muss wieder einmal einen gesundheitlichen Rückschlag verkraften.
Foto: Sven Thomann

Die hitzigste Debatte

Gleich mehrfach sorgte das Publikum für Ärger. Besonders viel Gesprächsstoff lieferte der Königsbesuch im Berner Oberland. Joel Wicki stellte gegen 1,78-Meter-Mann Fabian Aebersold. Das Unentschieden feierten die Berner Fans mit einer Welle. Das sei nicht «Schwinger-Art». Zudem wurde König Wicki wüst beschimpft. «Diese Reaktionen haben mich im ersten Moment ziemlich getroffen», gesteht er im Blick-Interview. Verärgert über die Berner Schwing-Fans zeigte sich auch der Nordostschweizer Domenic Schneider. Bei seinem Gastspiel am Oberaargauischen zeigte er dem Publikum die Scheibenwischer-Geste. Wieder bremste Aebersold einen Mitfavoriten aus, erneut freute sich das Publikum ausgelassen. Das passte Schwing-Boss Stefan Strebel nicht. Vor dem Anschwingen am Jubiläumsfest wendete er sich ans Publikum: «Ein Gestellter muss nicht bejubelt werden!» 

Mit diesem Jubel provoziert «Dodo» die Zuschauer
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Die Szene im Video:Mit diesem Jubel provoziert «Dodo» die Zuschauer

Das Rigi-Debakel

Diese Berner Ohrfeige schmerzt den Innerschweizern ganz besonders. Am eigenen Bergfest auf der Rigi sind sie gegen die Mutzen chancenlos. Nur zwei Kränze bleiben in der Innerschweiz. Ein historisch schlechtes Resultat! So wenige Rigi-Auszeichnungen erkämpften sie sich letztmals 2013. In den letzten 24 Jahren gab es sonst immer drei oder mehr. Ein Grund für die schwache Ausbeute ist das Fehlen der Spitzenschwinger. König Joel Wicki und Pirmin Reichmuth gaben in ihrer Saisonplanung anderen Festen den Vorrang. Mit Marcel Bieri musste sich der Mann der Stunde unter der Woche verletzungsbedingt abmelden. Einzig Sven Schurtenberger stieg von der Innerschweizer-Spitze in die Zwilchhosen. Eine derart schwache Besetzung soll es am eigenen Bergfest nie wieder geben, hört man aus der Innerschweiz. 

Chancenlos: Der Innerschweizer Spitzenschwinger Sven Schurtenberger konnte gegen die Berner Übermacht nichts ausrichten.
Foto: keystone-sda.ch

Das Giger-Rätsel

Der Sportpanorama-Auftritt von Samuel Giger sorgte für heftige Spekulationen. Drei Wochen nach seiner Schulterverletzung erklärte Physiotherapeut Lukas Zenger in einem Beitrag: «Er hat ein Schulterproblem. Mehr sagen wir nicht. Die Schwingerszene rätselte. Wie schwer ist die Verletzung? Droht das Saisonaus? Tatsächlich stand eine Operation zur Diskussion. Giger hatte etwas mehr als einen Monat Zeit, um mit anderen Methoden zum Erfolg zu kommen. Unter anderem dank Hypnose machte der Thurgauer rasch Fortschritte. Rund zwei Monate nach der Schulterverletzung feierte er auf dem Stoos ein triumphales Comeback. Im Schlussgang gegen Werner Schlegel reichte ihm ein Gestellter zum Sieg. 

Starkes Comeback: Samuel Giger triumphierte überlegen auf dem Stoos.
Foto: foto-net / Albert Rene Kolb

Der Brünig-Brief

Ein Brief adressiert an das Brünig-OK sorgt Anfang April für Zoff. Fabian Staudenmann (24) kritisiert darin die engen Platzverhältnisse, das fehlende WC nur für Schwinger, die Parkplatzsituation, das tiefe Preisgeld und dass Angehörige der Schwinger nicht an Tickets kommen, da diese in der Besitzerfamilie vererbt werden. In einem gemeinsamen Gespräch wird das Ganze geklärt. Das Resultat: Eine Preisgelderhöhung wurde bereits 2023 entschieden, das Schwinger-WC existiert schon, war aber nicht speziell ausgeschildert und Parkplätze gibts auch genug. Nicht zur Diskussion stehen hingegen vorerst die Teilnehmer-Reduktion wegen der Platzverhältnisse und eine Anpassung der Ticketvergabe.

Das Brünig-OK wird mit Kritik konfrontiert.
Foto: keystone-sda.ch


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