Es ist des Schwingers Fluch und Segen. Das Sägemehl. Wann die Sennen und Turner auf die Idee gekommen sind, ihre Ringkämpfe auf einem Bett aus Holzerzeugnissen auszutragen, ist heute nicht mehr nachvollziehbar. «Früher hat man auf der Wiese geschwungen. Wenn da einer Kopf voran in den Boden gespitzt wurde, war das sicher nicht so gesund. Darum brauchte es eine Unterlage. Sägemehl war vermutlich einfach und billig aufzutreiben», mutmasst Josef «Schösu» Erni (45), der am Innerschweizerischen Schwingfest (ISAF) am Sonntag in Dagmersellen LU für sieben perfekte Kampfplätze verantwortlich ist.
Doch Sägemehl ist nicht gleich Sägemehl. Buche oder Eiche etwa würde man in einer Schwingarena nie finden. «Diese Hölzer sind viel zu hart», erklärt der Innerschweizer Sägemehl-Chef. Gefragt ist weiches Holz, Fichte beispielsweise sei ideal, das sich mit seiner faserigen Struktur gut formen lässt. Beim diesjährigen ISAF sponsert die Sägerei Christen in Luthern LU die rund 220 Kubikmeter Sägemehl. Das entspricht rund fünf Lastwagenladungen.
Viel zu tun vor dem Fest
Bevor ein Böser auch nur einen Fuss auf den Sägemehlring setzt, müssen Erni und seine Crew das Sägemehl ordentlich bearbeiten. «Im Moment wässern wir die Ringe, was das Zeug hält», erzählt er. «Dann werden die Plätze mit der Maschine so richtig plattgewalzt.» So wird aus den einzelnen Holzspänen eine feste, stabile Unterlage. Mindestens 15 Zentimeter hoch muss die laut ESV-Reglement sein.
Das Sägemehl dämpft den Fall des Schwingers und sorgt so für Sicherheit. Die richtige Wettkampfunterlage sei match- oder im Schwingerjargon gesagt, Gangentscheidend. «Würden wir das Sägemehl nur aufschütten, hätten die Schwinger keinen Halt und würden die ganze Zeit wegrutschen.»
Ein Mund voll Sägemehl
Wäre das Sägemehl nicht festgewalzt, würden die Schwinger tiefer ins Sägemehl eintauchen. Und einiges mehr einatmen. Das wolle man den Sportlern nicht antun, sagt Erni, der aus eigener Erfahrung spricht: «Es gibt wirklich Angenehmeres, als einen Mund voller Sägemehl zu haben. Wenn das in die Luftröhre gelangt, hast du kurz das Gefühl, daran ersticken zu müssen. Das hat jeder Schwinger schon mal erlebt.»
Es sei auch ein Mitgrund, warum der eine oder andere Nachwuchsschwinger den Sport nach den ersten paar Probetrainings wieder an den Nagel hänge. «Entweder liebst du das Sägemehl, oder du hörst mit dem Schwingen wieder auf.»
Nach dem Fest wird der Holzstaub wieder eingesammelt. Daraus entsteht zu einem grossen Teil Heizungsmaterial, oder in manchen Fällen auch Spanplatten, erklärt Josef Erni. Und fügt zwinkernd an: «Es könnte also sein, dass jemand mal ein Haus baut, aus dem Sägemehl, in dem ein Schwingerkönig geschwungen hat!»