Der Schwarzsee-Sieg von Werner Schlegel (21) stellte für seinen Athletiktrainer Robin Städler eine besondere Genugtuung dar. «Einige Leute zweifelten an meiner Trainingsmethode», erklärt er im Gespräch mit Blick.
Wie unkonventionell Städler arbeitet, zeigt ein Besuch in seinem Kraftraum in Rapperswil-Jona SG. Die Schwinger Werner Schlegel, Armon Orlik (29) und Damian Ott (24) balancieren minutenlang mit einem Brett auf einer Metallrolle. Gleichzeitig stemmen sie Gewichte. Einmal stehend, einmal kniend. «Dürezieh Armon!», ruft Städler, als Orlik die Langhantel senken will. Sein Schweiss tropft im Sekundentakt auf den dunklen Boden.
Über 100 Kilo schwere Seiltänzer
Hinter Orlik liegt bereits eine 30-minütige Ausdauereinheit. Eine weitere Dreiviertelstunde sollte folgen. Pausen gibt es kaum. «Die Minute ist vorbei, weiter geht es.» Nächste Übung: balancieren auf einer Slackline. «Wie ein Seiltänzer», witzelt Ott.
Mehr Schwingen
Die Idee dahinter? «Balancetraining beansprucht nicht nur einseitig die Muskulatur, sondern die gesamte Körperspannung sowie die Psyche», erklärt Städler. Erst, wenn alle Bewegungsabläufe stimmen, steigert er die Intensität und die Belastung.
Die 16 Minuten immer im Hinterkopf
«Es ist brutal hart», meint Schlegel schmunzelnd und fügt an: «Hier lernt man zu beissen. Das hilft enorm beim Schwingen.» Er und Ott trainieren seit 2019 bei Städler. Orlik stiess vor etwas mehr als einem Jahr dazu. Am Freitag schwitzen die Schwinger mit Athleten aus anderen Sportarten. «Wir pushen uns gegenseitig», so Orlik.
Für Städler ist klar: «Meine Schwinger sind fit, weil sie minutenlang ans Limit gehen und so ihre Grenzen verschieben.» Immer in seinem Hinterkopf ist der 16-minütige Schlussgang am Eidgenössischen Schwingfest in Mollis GL 2025. Ein weiterer Königstitel, das ist sein grosses Ziel.
Ein Anruf des Königs – fünf Jahre später
Zweimal führte Städler Jörg Abderhalden (44) auf den Schwingthron. Kennengelernt haben sich die beiden an der Olympia-Bronzemedaillenfeier von Michael von Grünigen 1998.
Städler war damals bei Swiss-Ski als Athletiktrainer angestellt. «Ich ging zu Jörg, drückte ihm meine Visitenkarte in die Hand und sagte: ‹Wenn du einen guten Trainer willst, ruf mich an›» Abderhalden meldete sich fünf Jahre später. «Ich gebe dir eine Chance. Ein Training», habe er Städler am Telefon gesagt. Daraus resultierte eine siebenjährige Erfolgsgeschichte mit zwei Königstiteln.
Plötzlich ohne Job
Die eigens von Städler entwickelte Trainingsmethode trägt den Namen «Sypoba». Deren Grundelemente eine Rolle und ein Brett sind. Die Effektivität dieser Balanceübungen erkannte der Bündner während seiner Zeit als Athletiktrainer beim HC Davos (2001–2003). «Die Spieler kehrten schneller von Knieverletzungen zurück», so seine Beobachtung.
Dank seiner erfolgreichen Arbeit beim HCD erhielt er ein Angebot aus der NHL. Doch bevor Städler bei den New York Islanders anfangen konnte, war er schon wieder Geschichte. Der Klub entliess das gesamte Trainerteam. «Plötzlich stand ich ohne Job da. Ein schwieriger Moment.»
Nach einiger Zeit erkannte Städler die neue Situation als Chance. Er machte sich selbständig. Zusammen mit einem Schreiner fertigte er die ersten hundert Sypoba-Exemplare an. Städler bemalte sie in seinem Wohnzimmer. Heute gibt es weltweit mehrere Hunderttausend.
Eine zusätzliche Motivation
Der Visionär pflegt einen Leitsatz: «Sypoba geht nicht nach den Trends der Fitnessbranche, sondern es setzt eigene Trends.» So trainieren seine Athleten ganzjährlich Maximalkraft, Ausdauer und Schnellkraft. In gewissen Büchern zur Trainingslehre wird empfohlen, diese Elemente in verschiedene Blöcke zu teilen. «Das ist gaga.»
Weil er neue Wege geht, rümpft der eine oder andere Athletiktrainer beim Namen Robin Städler die Nase. «Ich nehme das als Motivation und will allen beweisen, dass meine Methode funktioniert.»
Schlegel übertrumpft Abderhalden
Mit dem Schwarzsee-Sieg von Schlegel ist ihm dies einmal mehr gelungen. Beim Toggenburger sieht Städler Parallelen zum dreifachen Schwingerkönig Abderhalden. «Werner hat eine Urkraft wie Jörg.» Das sei genetisch bedingt. «Keiner hat so eine Wucht wie Werner!»
An der Beinpresse drückt Schlegel mehr als Abderhalden. Der dreifache Schwingerkönig bewegte 140 Kilogramm, Schlegel liegt aktuell bei 150 Kilogramm. Und das mitten in einer knapp 90-minütigen Trainingseinheit à la Städler.
Trotz Schlegels überragenden Kraftwerten sieht sein Erfolgscoach noch Potenzial. «Ab der Hüfte ist er enorm stark. Der obere Teil hinkt im Vergleich noch etwas hinterher. Steigert er sich dort um 25 Prozent, wird es für alle schwer gegen ihn.» Die Konkurrenz ist gewarnt.