Damian Ott und Werner Schlegel haben vieles gemeinsam. Beide stammen aus dem Toggenburg. Beide werden im Kraft- und Ausdauerbereich vom ehemaligen Abderhalden-Coach Robin Städler trainiert. Beide haben in dieser Saison ihre ersten Kranzfestsiege gefeiert. Und beide verdienen ihr täglich Brot als Zimmermann.
«Ich habe schon als Bub leidenschaftlich gerne mit Holz gearbeitet und wollte einst Massiv-Holzschreiner lernen», sagt Ott. «Aber weil ich in diesem Beruf keine Lehrstelle gefunden habe, hat mir mein Onkel, der selber eine Zimmerei hat den Tipp gegeben, dass ich mich in Wil bei Müller Holzbau melden soll.» Ein Volltreffer.
Für diese Firma arbeitet Damian dann auch zwei Jahre nach der erfolgreich abgeschlossenen Ausbildung. Obwohl er für den Schwingsport einen grossen Aufwand betreibt, hat er sein Pensum im Hauptberuf kaum reduziert. «Ich habe einen sehr verständnisvollen Chef, der mich auch mal etwas früher Feierabend machen lässt, wenn ich früher ins Training muss.»
Auf einen flexiblen Chef ist Ott auch angewiesen, schliesslich hat der Weissenstein- und Schwarzseesieger im Gegensatz zu seinem Kumpel Schlegel noch keinen Sponsoren-Vertrag abgeschlossen. «Ich schwinge nicht des Geldes wegen, sondern aus purer Freude.» In Kilchberg trifft Ott am Samstag im Anschwingen auf einen echten König, der sich im Umgang mit Holz ebenfalls bestens auskennt – auch Kilian Wenger hat nach seiner ersten Stifti als Metzger Zimmermann gelernt.
Neben dem Sägemehlring ist Wicki noch ein Stift
Dass in Joel Wicki auch eine talentierter Bauer steckt, zeigt sich erstmals nach seinem achten Geburtstag. Wicki gewinnt bei einem Buebä-Schwinget im Oberaargau eine Ziege, die er mit seiner Mama in legendärer Manier ins Entlebuch transportiert. «Joel sass während der ganzen Fahrt auf dem Rücksitz und kümmerte sich liebevoll um die gewonnene Ziege, die wir im Kofferraum platziert hatten. Daheim angekommen haben wir das Tier im Stall unseres Nachbars untergebracht. Joel hat sie dort praktisch jeden Tag besucht und sich blind mit ihr verstanden» erinnert sich Esthi Wicki.
Weil die Wickis in Sörenberg keine eigene Landwirtschaft besitzen, absolviert Joel zuerst eine Lehre als Baumaschinenmechaniker und macht sich danach als Bagger-Fahrer Selbständig. Aktuell absolviert der 13-fache Kranzfestsieger auch noch eine Zweitausbildung zum Landwirt. Zwei Tage vor der Abreise nach Kilchberg hat der 24-Jährige in Entlebuch auf dem Hof von Schwingerkönig Matthias Sempach mitangepackt.
Schwander ist im Hauptberuf Europas Nummer 1
Am 8. August gelingt Severin Schwander am Berner Kantonalen der ganz grosse Wurf – der 25-jährige Zweimeter-Mann bodigt in Aarberg den Überschwinger Christian Stucki. Für Stucki ist es die erste Niederlage, seit er 2019 in Zug die Königs-Krone erobert hat.
Trotz diesem geschichtsträchtigen Erfolg avanciert Schwander an diesem Abend nicht zum Party-König. Stattdessen bearbeitet der Berner Mittelländer am nächsten Morgen bereits um 05.30 in der elterlichen Metzgerei in Riggisberg einen Rinds-Hinterviertel. «Die besten Ergebnisse gelingen mir als Sportler meistens dann, wenn in der Metzgerei Hochbetrieb herrscht» erzählt Severin. «Je mehr ich beruflich zu tun habe, umso weniger Zeit habe ich, um am Schwingen herum zu studieren. Und genau das wirkt sich offensichtlich positiv auf meine Leistungen aus.»
Aussergewöhnliche Leistungen hat der Enkel des vierfachen Eidgenossen- und ESV-Obmann Fritz Schwander auch schon an internationalen Berufs-Wettkämpfen abgeliefert – 2017 hat der Riese mit Schuhgrösse 49.5 an der Europameisterschaft für Fleischfachleute die Goldmedaille im Zweier-Teambewerb gewonnen. Im nächsten Jahr wird Schwander zwei spezielle Ziele verfolgen: Die Metzgermeisterprüfung und den Gewinn des Eidgenössichen Kranzes in Pratteln.
Wenger packt auch in der Nacht hart an
Obwohl Kilian Wenger nach seinem Triumph am Eidgenössischen in Frauenfeld einige hoch dotierte Werbe-Verträge unterschreiben konnte, ist der König von 2010 im Herzen ein Büezer geblieben. Seit Frühling 2015 ist der zweifache Familienvater als Chauffeur für das Hondricher Transportunternehmen Martin Schaller im Einsatz. Meistens führt er Holz, ab und an verschiebt der 21-fache Kranzfestsieger mit seinem Scania R 500 in Nachtschichten auf der Autobahn-Baustelle zwischen Heimberg und Kiesen stationäre Leitplanken. «Das ist für mich der perfekte Ausgleich zum Schwingen. Im Lastwagen komme ich auf andere Gedanken.»