Dieses Lächeln. Es will einfach nicht aus ihrem Gesicht verschwinden. Für das Shooting der Challenge «Schlag den Olympia-Star» im Hallenbad Uster schafft es Maria Ugolkova nur mit Mühe, der Gegnerin einen bösen Blick zu schenken. Erst als die Schweizer Rekord-Schwimmerin ins Becken steigt und die Brille aufsetzt, taucht sie mit ernster Miene in den Wettkampf-Modus.
Das 50-Meter-Rennen bestreitet die 30-jährige Olympia-Teilnehmerin auf dem Rücken und gewährt BLICK-Leserin Gisela Reichmuth im Freistil zusätzlich einen Vorsprung von zehn Sekunden. Ein Handicap, das zum Fotofinish führt – mit dem besseren Ende für Reichmuth.
Die 46-jährige Hobby-Triathletin aus Schwerzenbach gewinnt nach einem dramatischen Sprint um eine Handlänge. «Einfach unglaublich», frohlockt Reichmuth und kann ihr Glück kaum fassen: «Ich war voll im Tunnel und habe es zuerst gar nicht realisiert, dass es tatsächlich noch gereicht hat.» Ugolkova lächelt die knappe Niederlage souverän weg und sagt ganz selbstlos: «Ich bin so froh für Gisela! Sie ist super in Form und hat verdient gewonnen.»
Die Last des Lockdowns
Für die gebürtige Russin ist die Challenge trotz Niederlage ein willkommener Spass und der erste Nervenkitzel nach über einem halben Jahr. «So ein Fotofinish fühlt sich wie Olympia an», sagt Ugolkova und erinnert sich an ihren letzten Höhepunkt im vergangenen Dezember. An der Kurzbahn-EM in Glasgow feiert sie über die 200 m Lagen ihren bisher grössten Erfolg.
Olympia 2020 in Tokio hätte der Höhepunkte ihrer Karriere werden sollen. Die Verschiebung der Spiele um ein Jahr warf sie aus der Bahn. «Mental war das eine harte Phase – und ist es immer noch», sagt ihr Trainer Pablo Kutscher. «Maria überlässt eigentlich gar nichts dem Zufall. Bei ihr ist alles bis ins Detail geplant.»
Der Kulturschock im Tessin
Ein Charakter geformt durch ein Leben mit vielen Veränderungen. Geboren in Moskau, aufgewachsen in einer Schwimm-Familie, muss sich Maria als kleines Mädchen viel zu früh von ihrem krebskranken Vater verabschieden. Mit 16 Jahren fliegt sie mit ihrer Mutter in die Schweiz, weil diese im Tessin einen Job als Trainerin findet.
Raus aus der russischen Hauptstadt, rein in das beschauliche Lugano. «Für mich als Teenager war das ein Kulturschock», erinnert sich Ugolkova. Trotzdem findet sie Freunde und saugt die Sprachen ihrer neuen Heimat wie ein Schwamm auf. Nach Italienisch auch Französisch, weil sie in Lausanne ein Wirtschaftsstudium in Angriff nimmt. Später kommt natürlich noch Deutsch dazu, weil sie beim Schwimmclub Uster-Wallisellen das sportliche Sprungbrett findet, um nach den nationalen Rekorden erstmals auch in die Weltspitze vorzustossen.
Wie ein Fisch vertrocknet
Mit dem Schweizer Kreuz auf der Badekappe verpasst sie an Olympia 2016 nur knapp den Final. Die leise Enttäuschung wird zur lauten Kampfansage für Tokio 2020 – doch Corona zerstört den Zyklus. «Es schmerzt jetzt noch immer noch ein bisschen», sagt Ugolkova etwas wehmütig. Der Corona-Sturm hat sie mit voller Wucht an Land gespült. Wie ein Fisch wäre sie dabei fast vertrocknet.
Den Lockdown übersteht die schnellste Schweizer Schwimmerin mit einem speziellen Home-Workout, doch geistig braucht sie Ablenkung von aussen. «Zum Glück haben mich meine Mutter und meine Coaches, die mich stark unterstützen.» Seit ein paar Wochen ist sie zurück im Wasser. Zurück in ihrem Element und «voll auf die Arbeit fokussiert» – feilen an Details, wie der Absprung beim Start und die Wende an der Wand. Wichtige Elemente, die nächstes Jahr in Tokio zur Krönung ihrer Karriere führen sollen.