Silvan Dillier (29) ahnt Böses, als er die altehrwürdige Radrennbahn in Zürich Oerlikon betritt. Sein Gegner in der BLICK-Olympia-Challenge ist kein übergewichtiger, 65-jähriger Rentner. Im Gegenteil. Patrick Meier ist ehemaliger Bahnfahrer und sieht mit 36 Jahren fast wie ein Radprofi aus. «Dass ich so einen Gegner erhalten würde, habt ihr mir nicht gesagt», sagt Dillier schmunzelnd.
Kurz darauf erfährt der Klassiker-Spezialist des französischen Teams AG2R, dass Meier einst sogar einst gegen Bahn-Grössen wie Bruno Risi und Franco Marvulli fuhr. «Stark. Aber ich bin gut drauf und deine besten Jahre liegen hinter dir, Patrick», neckt Dillier. Der Konter folgt auf dem Fuss. «Du darfst mit einem ganz besonderen Fahrrad gegen mich antreten», so Meier. Er zeigt auf ein altes Militärvelo aus dem Zeughaus Zürich. Beide lachen. Es ist ein grosses Handicap, welches Dillier beim Duell Profi gegen Amateur trägt. Wer wird schneller sein: Hobbyfahrer Meier mit seinem schnittigen Rennvelo oder Radprofi Dillier auf dem 22 Kilogramm schweren Armee-Fahrrad?
Dilliers erste Sorge gilt seinem Velo. «Ist es wenigstens geölt?», fragt er. Und ahnt: Nein, natürlich nicht. «Kann ich die Sattelhöhe verstellen?», fährt Dillier fort. Theoretisch schon. Aber: Das Rohr klemmt – das ist auch mit dem besten Werkzeug nichts zu machen. Und so muss der Familienvater – im Januar schenkte ihm seine Cornelia Söhnchen Ilja – auf einem ungewohnt mühsamen fahren. «Ich war im Militär, fuhr aber nie auf so einem Göppel», so Dillier.
Dillier hat nur einen Gang
Nun also die Premiere. Die Regeln sind klar definiert. Eine Runde auf der Rennbahn – wer zuerst die Ziellinie erreicht, gewinnt. Damit Dillier nicht chancenlos ist, startet er fliegend, während Patrick aus dem Stand beschleunigen muss. Alles bereit? Nicht ganz. Ein Wolkenbruch geht über Oerlikon nieder. Die Folge: Rückzug, Kleider in Sicherheit bringen, warten. Nachdem die Bahn abgetrocknet ist, folgt endlich der Start.
«Das wird schlimmer als die Hölle des Nordens», witzelt Dillier und spricht seinen zweiten Platz bei Paris-Roubaix 2018 an. Dann holt er Schwung, fährt los und an Meier vorbei. Der gelernte Koch aus Regensdorf ZH startet die Aufholjagd. Sein Vorteil: Im Gegensatz zu Dillier hat er nicht nur einen Gang. Nach der halben Bahnlänge ist Dillier immer noch deutlich vorne, die Trittfrequenz ist enorm. Meier holt auf, er legt einen grösseren Gang ein. Es wird knapp... Doch letztlich rettet Dillier drei Radlängen über die Ziellinie. Sieg!
«Das werde ich nie vergessen»
Ausgepumpt wirft sich Dillier auf den Beton des Ovals und jubelt ausgelassen. «Das ist der grösste Sieg meiner Karriere!» Alle lachen. Und doch ist klar: Es war dem Aargauer durchaus wichtig, zu gewinnen. Meier gratuliert sportlich. Er weiss: Der Wettkampf war nicht bierernst gemeint. Zum Abschluss sagt er: «Dieses Erlebnis werde ich nie vergessen. Danke an alle!»