Memorial Ride für Muriel Furrer
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1500 Fahrer mit dabei:Memorial Ride für Muriel Furrer

Velo-Gedenkfahrt auf WM-Circuit
1500 Menschen pedalen für Furrer (†18) frühmorgens über WM-Strecke

In Zürich versammelten sich am Sonntag frühmorgens rund 1500 Menschen zu einer Trauer-Velorunde für die verstorbene Nachwuchsfahrerin Muriel Furrer (†18). Die geplante City-Race wurde in eine Gedenkfahrt umgewandelt, um ihrem tragischen Schicksal zu gedenken.
Publiziert: 29.09.2024 um 12:09 Uhr
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Aktualisiert: 29.09.2024 um 14:21 Uhr
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Fassungslosigkeit vor dem Start des Memorial Ride in Zürich: Der Tod von Teamkollegin Muriel Furrer traf das Schweizer Team bis ins Mark.
Foto: freshfocus
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Matthias DubachLeiter Reporter-Pool Blick Sport

Es ist um diese Uhrzeit abgesehen vom krakeelenden Nachtschwärmer auf der Quaibrücke sowieso noch still in der Stadt Zürich, als es um 7.14 Uhr beim Sechseläutenplatz noch stiller wird. Rad-WM-Sportchef Olivier Senn bittet am leise eingestellten Mikrofon zur Schweigeminute für die verstorbene Nachwuchsfahrerin Muriel Furrer (†18). Die gedämpften Gespräche unter rund 1500 Menschen verstummen. Nur in der Ferne fährt ein Tram los.

Ein Jahr nach dem Tod von Gino Mäder (†26) muss Senn wieder einen Trauerzug losschicken. Diesmal ist es der Memorial Ride, die Gedenkfahrt für Furrer. Die WM-Organisatoren haben das für Sonntagmorgen geplante City-Race, ein Rennen für jedermann und jedefrau, in eine Gedenkfahrt umgewandelt. Zu den ursprünglich fürs Amateurrennen angemeldeten 500 Personen sind in aller Herrgottsfrühe und bei bitterer Kälte rund 1000 weitere gekommen, um Furrer zu gedenken. 

Furrers Schicksal bringt die Menschen frühmorgens auf die Strasse

Nur vom Weltverband UCI ist niemand zu sehen, zumindest tritt niemand offiziell auf. Dafür sind Hunderte aus der grossen Schweizer Gümmeler-Community gekommen. Aber da ist auch einer mit einem alten Militärvelo, das er natürlich am steilen Stück der Zürichbergstrasse hochstossen muss. Da ist die ältere Frau auf dem Citybike, da ist einer in Jeans auf dem Stadtvelo. Da ist der Vater mit dem frierenden Kind im Veloanhänger. Einer trägt eine weisse Rose am Helm. Furrers Schicksal bewegt.

Auch eine grosse Delegation von Swiss Cycling erscheint. Im Prinzip alle Schweizerinnen und Schweizer, die diese Woche in Zürich an der WM im Einsatz standen, egal ob neben oder auf der Strecke. Ausser die Männer-Elitefahrer wie Stefan Küng, die sich in Winterthur auf den Start des sonntäglichen Strassenrennens vorbereiten. U23-Star Jan Christen etwa ist dabei. Auch Para-Weltmeisterin Flurina Rigling. Viele Tränen und herzzereissende Umarmungen gibts bei den jungen Frauen des U19-Teams, die Furrer am besten kannten, mit ihr Trainingslager und Rennen erlebten. Bis die Zürcherin an diesem verhängnisvollen Donnerstag einfach nicht mehr ins Ziel kam. 

Zwischen Bilderbuch-Velotag und beklemmenden Eindrücken von der Unfallstelle

Als die Räder rollen, löst sich auch etwas die Beklemmnis aus dem bald langgezogenen Trauer-Peloton. Es wird ab und zu gelacht. Es wird über Velocomputer diskutiert. Es wird über Erlebnisse im Berufsleben geplaudert. Und natürlich übers Wetter: Bei Zumikon ZH sticht die Sonne durch den kalten Nebel. Viele stoppen auf der Anhöhe für ein Foto. Etwas fürs Bilderbuch. Doch der triste Gegensatz kommt wie ein Hammer, als die Strasse kurz nach der pittoresken Fotostelle in den Unglückswald oberhalb von Küsnacht ZH führt.

Da der Memorial Ride auf dem abgesperrten City Circuit stattfindet, führt die Gedenkfahrt auch an der Stelle vorbei, wo Furrer nach ihrem Sturz sehr wahrscheinlich lange unentdeckt im Unterholz lag. Hier warnen die Streckenposten besonders eifrig zur Vorsicht. Die Trauerkerze vom Vortag steht noch immer an der vermuteten Unfallstelle. Der Memorial Ride zischt vorbei. Auch als Amateur hat man hier rasch 50 oder 60 km/h drauf.

Viele nehmen die bedrückte Stimmung aus dem Wald mit bis ins Ziel am Sechseläutenplatz. Wie haben es die Teilnehmer erlebt? Eine Gümmeler-Frau sagt: «Dort im Wald ist wirklich die heikelste Passage auf dieser Runde. Stell dir vor, wenn dir im Regen noch die Brille beschlägt und du im Rennen noch schneller fährst. Dann wirds gefährlich.»

Beim Zwingli-Denkmal fliessen Tränen

Der kaum nachvollziehbare Tod von Furrer steckt vielen in den Knochen. Andere knipsen aber auch Selfies unter dem WM-Zielbogen. Bei ihnen hat sich Senns Wunsch von 7.14 Uhr erfüllt: «Hoffentlich kommen wir nach dieser Runde mit einem besseren Gefühl zurück.» Mittlerweile lacht die Sonne vom Himmel.

500 Meter weiter der Limmat entlang ist die Stimmung bleiern. Beim Zwingli-Denkmal an der Wasserkirche wurde eine Gedenkstätte für Furrer errichtet. Eine Gruppe Frauen vom VC Hittnau gedenkt der verstorbenen Kollegin, es fliessen Tränen. In diesem Moment ist es kein Trost, dass Furrer bei dem starb, was sie am liebsten machte und alle Teilnehmer dieses Memorial Ride verbindet: velofahren.

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