Radfahrer sind die «Helden der Strasse». Weshalb das so ist, hat Fabio Jakobsen (25) am Mittwoch in Peyragudes eindrücklich bewiesen. Hätte er für die schwere Bergetappe 17 Sekunden länger gebraucht, dann wäre die Tour de France für ihn aus und vorbei gewesen. Das besagt das Reglement, das einen Tag zuvor Marc Soler zum Verhängnis geworden ist.
Es ist ein Kampf auf Messers Schneide. Lange wird der müde Jakobsen von seinen Teamkollegen und Helfern Florian Senechal, Mikkel Honoré und Yves Lampaert unterstützt. Als Sportdirektor Tom Steels von Quick-Step Alpha Vinyl merkt, dass es knapp wird, das Ziel vor Kontrollschluss zu erreichen, beordert er die Helfer nach vorne. Der Sprinter muss den Schlussanstieg mit Rampen bis zu 16 Prozent alleine bezwingen.
«Jeder steile Meter war der Horror für ihn», sagt Steels am Abend zu «Wielerflits». Schliesslich hat das Team dennoch dazu beigetragen, dass es Jakobsen gerade noch so ins Ziel geschafft hat. Fahrer, Trainer und Mechaniker stehen unmittelbar hinter der Ziellinie und unterstützen ihn lautstark.
Emotionale Szenen im Ziel
«Hop, Hop!», schreit Lampaert auf flämisch, als er Jakobsen sieht. Die andere fuchteln wild herum. Die Fans am Streckenrand werden noch einmal laut. Dabei ist über eine halbe Stunde vergangen als Tagessieger Tadej Pogacar und Tour-Leader Jonas Vingegaard hier hochgesprintet sind. Drama pur. Wie sehr Jakobsen am Limit ist, zeigt sich unmittelbar nach der Überquerung der Ziellinie. Der Holländer sackt noch auf dem Rennvelo zusammen und muss gestützt werden.
Worte findet Jakobsen danach keine mehr. Dafür spricht Senechal zu den Medien und verrät, was er seinem Captain mit auf den Weg gegeben hat. «Gehe über deine Grenzen hinaus, tue es für deine Familie und deine Teamkollegen.»
Für Jakobsen ist es gerade noch einmal gut gegangen. Dass er es bis nach Paris schafft, steht aber noch nicht fest. Denn am Donnerstag wartet die letzte schwere Bergetappe. Übersteht er das letzte Hindernis, wird der Sprinter alles versuchen, sich für seine Strapazen mit einem zweiten Etappensieg an der diesjährigen Tour zu belohnen.