So tickt Rad-Ass Marlen Reusser
«Ein Leben ohne Uhr wäre wohl lebenswerter»

Im Zeitfahren ist sie Weltklasse. Doch welche Rolle spielen Zeit und Uhren in Marlen Reussers Privatleben? Vor der WM in Australien erzählt sie es Blick.
Publiziert: 16.09.2022 um 14:06 Uhr
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Zweifache Europameisterin ist Marlen Reusser schon. Nun will sie bei der WM in Wollogong zuschlagen.
Foto: imago/Sirotti
Mathias Germann

Blick: Marlen Reusser, sind Sie pünktlich?
Marlen Reusser: Weltweit gesehen wohl schon. Ich mag es jedenfalls nicht, wenn andere nicht zur abgemachten Zeit kommen – dann kann ich schon mal grantig werden (schmunzelt).

Wofür haben Sie im Leben zu wenig Zeit?
Ich glaube nicht, dass ich für etwas zu wenig Zeit im Leben habe. Wichtig ist, sich selbst zu erfüllen oder anderen etwas Gutes zu tun. Jeder hat dafür ein Leben lang Zeit – ist man zufrieden, muss man auch nicht befürchten, etwas zu verpassen.

Was kann Ihnen nicht schnell genug gehen?
Ich bin ein zackiger Mensch. Wenn Leute unnötig gemütlich sind oder Dinge ohne Grund zu wenig schnell gehen, dann muss ich mich in Selbstregulierung üben (lacht). Sprich: Ich versuche, mich nicht aufzuregen.

Welche Art von Wecker benutzen Sie?
Das Handy. Früher, als ich noch Ärztin war, musste ich öfter früh aufstehen, so gegen 04:30 Uhr. Als Velo-Profi darf ich meistens länger schlafen – das schätze ich sehr.

Wann wird es Ihnen langweilig?
Zuletzt hatte ich eine Gehirnerschütterung und war gezwungen, eine Woche nichts zu tun. Ich lag im Dunkeln, schaute kein TV, hörte keine Musik und legte auch das Handy zur Seite. Irgendwann wusste ich nicht mehr, worüber ich noch nachdenken sollte. Aber es war auch spannend – denn so eine Situation hat man fast nie im Leben.

Wofür wäre es längste Zeit?
Für mehr Menschen mit Bescheidenheit, die mitdenken und mitfühlen.

Wenn Sie eine Zeitmaschine hätten: In welche Epoche würden Sie gerne zurückkehren?
Einige Zeitperioden waren vielleicht nicht so barbarisch und unentwickelt, wie wir sie uns heute vorstellen. Allerdings hätte ich mich wohl als Frau, die gerne zu verschiedenen Themen Stellung bezieht, wohl ab und zu fürchten müssen. Ich lebe also gerne jetzt.

Was würden Sie gerne über die Zukunft wissen?
Gar nichts. Das würde die Spannung nehmen. Und auch den Willen, etwas zu verändern.

Wofür wollen Sie sich nach Ihrer Karriere mehr Zeit nehmen?
Ich werde mich auf andere Dinge fokussieren. Aber ich finde nicht, dass ich derzeit Defizite habe, die ich später aufarbeiten werde.

Wie wäre das Leben ohne Uhren?
Schaut man nur auf den Menschen, wäre es wohl lebenswerter. Denn die Tätigkeit würde den Ablauf des Tuns bestimmen und nicht die Uhr. Aber so ein Leben wäre für die meisten nicht kompatibel mit ihrem Alltag und ihren Berufen – auch für mich nicht.

Wofür ist die Zeit in Ihrem Leben reif?
Das werde ich erst rückblickend erfahren.

Würden Sie die Winterzeit abschaffen?
Ich gehe schlafen, wenn ich müde bin. Aber die Winterzeit macht wohl schon Sinn.

Was können Sie – ausser Radfahren – ganz schnell?
Reaktionsspiele, zum Beispiel Ligretto. Da bin ich schwer zu schlagen.

Und worin sind Sie langsam?
Wenn ich den Schlauch meines Rads wechseln muss. Oder im Haushalt – da brauche ich oft viel länger als andere.

Was würden Sie am liebsten rund um die Uhr tun?
Mit coolen Leuten, die ich mag, zusammen sein.

Welche war die längste Minute Ihres Lebens?
Auf dem Ergometer mache ich ab und zu Low-Profile-Tests. Sie dauern fünf Minuten, dabei wird eine bestimmte Wattzahl voreingestellt. Wenn es losgeht, muss man die Pedale durchdrücken – egal, ob man noch kann oder nicht. Diese Augenblicke sind brutal, sie fühlen sich wie Stunden an – da zieht sich die Zeit wie Kaugummi hin.

Was müssen Sie nach diesem Interview sofort erledigen?
Nichts.

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