Wir schreiben den 20. Juli 1982. Beat Breu, ein 24-jähriger Tour-de-France-Grünschnabel, macht sich im französischen Orcières auf eine Mission. Er will als erster Schweizer die Alpe d'Huez erobern, auf dem mythischen Berg siegen. «Mein damaliger sportlicher Leiter meinte: ‹Wenn du heute gewinnst, bist du in den Geschichtsbüchern verewigt!› Das machte den Druck nicht kleiner, aber ich zerbrach nicht daran», erinnert sich Breu. Und tatsächlich: Der St. Galler schafft es, er triumphiert auf 1850 Meter über Meer – als bis zu diesem Zeitpunkt erster und bis heute letzter Schweizer.
Nun kehrt die Tour zurück nach Alpe d'Huez. Zum 31. Mal geht es die 21 «Kehren des Teufels», wie die markanten Serpentinen genannt werden, bis zum Ziel hinauf. Breu: «Leider sind die vier Schweizer bei der Tour de France nicht so zwäg. Ich werde also wohl mindestens noch ein Jahr der letzte Schweizer Sieger auf der Alpe d'Huez bleiben.»
Die Bauern streikten, Breu griff an
Breu lässt sich dieses Rad-Spektakel am Donnerstagnachmittag nicht entgehen – er wird vor dem TV sitzen. «Mit einem Bier in der Hand», wie er sagt. Und wer weiss, vielleicht denkt er dann auch an jenen grossen Moment im Sommer vor 40 Jahren zurück. «Es war ein lustiger Tag. Unten im Tal streikten die Bauern, sie sperrten die Strassen mit Traktoren ab – keine Ahnung warum. Wir sassen eineinhalb Stunden auf dem Asphalt und warteten auf den Start», so der heute 64-Jährige.
Als es endlich losgeht, waren viele Augenpaare auf Breu gerichtet. Kein Wunder, gewann er doch vier Tage zuvor schon eine Bergetappe. Bis zum Fuss der finalen Steigung, in Le Bourg d'Oisons auf 718 Metern über Meer, ist das Peloton noch geschlossen – ganz nach dem Gusto Breus. «Aber ich kannte den Berg nicht. Mein Teamkollege Marcel Russenberger hatte ihn mir dann gezeigt: ‹Da gehts hoch!› Ich schaute hinauf und wusste nicht, ob ich mich freuen oder fürchten sollte.»
Breu nimmt das Herz in die Hand. Schon in der ersten der 21 Kurven greift er an – das Feld explodiert. Entschieden ist die Etappe aber noch lange nicht. Denn: Der Bergfloh hat wenig Vorsprung, vielleicht 15 Sekunden. Robert Alban ist sein härtester Rivale, der Franzose schliesst zweimal auf. «Er liess nie nach, der Saucheib. Ich fuhr ihm zwar wieder davon, er blieb mir aber immer im Nacken.»
«Man schrie mir pausenlos in die Ohren»
Breu ist dennoch der Stärkste an diesem Tag. Er fährt an 200'000 grölenden Fans vorbei zum grössten Triumph seines Lebens. «Damals gab es noch keine Barrieren, auch nicht ganz oben. Die Stimmung war verrückt, man schrie mir pausenlos in die Ohren. Und ich sah teilweise gar nicht, wohin ich fuhr. Zum Glück hatte ich einen Töff vor mir, der mir den Weg durch die Menschenmasse bahnte.»
Letztlich hat Breu im kleinen Wintersportort 16 Sekunden Vorsprung auf Alban. «Die Steigung ist nicht die schwerste, aber halt eine der wichtigsten im Radsport. Ich bin stolz auf den Sieg.» Wurde er in Alpe d'Huez zum Star? Breu zögert. «Star? Mit diesem Wort habe ich Mühe. Nein, ich blieb einfach ein Velofahrer.»