Jolanda Neff (31) befindet sich in einem Wettlauf gegen die Zeit. Zwar hat die Mountainbike-Olympiasiegerin endlich die erlösende Diagnose bekommen, warum sie in den letzten Jahren in Rennen und Trainings keine Luft kriegte. Es liegt an ihren Stimmbändern, die «sich wie ein bei einem Turnsack zusammenschnüren», es kommt kaum noch Sauerstoff in den Lungen an. Die richtige Atemtechnik kann Abhilfe schaffen – doch eben, die Zeit. In sechs Wochen findet in Paris das Olympiarennen statt.
Neff: «Alles, was ich jetzt machen kann, ist üben.» Die Ostschweizerin muss auf dem Velo langsamer atmen. Klingt einfach, ist es aber unter Belastung nicht. Ihr erster, intensiver Trainingsblock nach der Diagnose ist nun die Tour de Suisse. Nach der zweiten Etappe sagt sie zu Blick: «Ich übe nun fleissig die neue Atemtechnik. Das ist wie bei einem Instrument. Am Anfang musst du zuerst einmal wissen, welche Knöpfe du drücken musst. Doch irgendwann kommt die Musik von alleine.»
Jetzt tun wenigstens mal die Beine wieder weh
In wenigen Tagen eine neue Atemtechnik verinnerlichen? So weit ist Neff noch nicht. Aber sie sagt: «Mir tun die Beine weh. Das ist nicht sehr angenehm. Aber es zeigt, dass ich auf dem richtigen Weg bin.» Dass sie körperlich wieder dahin kommt, dass die Beine brennen, muss die St. Gallerin wieder neu erfahren. «Vorher, wenn ich schnell fahren wollte, bekam ich keine Luft mehr. Mir tat das Atmen so weh, dass ich gar nicht mehr in den Bereich kam, in dem ich die Beine spüre», sagt sie nach dem Bergzeitfahren nach Villars-sur-Ollon.
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Wann Neff nach der Tour de Suisse wieder aufs Mountainbike umsteigt, bleibt offen. Ihr Programm bis Paris plant sie kurzfristig. Ob Bike-Heimweltcup in Crans-Montana (am Wochenende), ob Weltcup in Les Gets (Fr, 6./7. Juli) oder aber die Schweizermeisterschaft in Echallens VD (12.-14. Juli) – alles offen.
Regen hilft den Stimmbändern, nicht zu verkleben
Unabhängig von der neuen Atemtechnik: Etwas würde ihr bei der Olympia-Titelverteidigung am 28. Juli auf jeden Fall helfen: Regen. Denn mittlerweile passen bei ihr die Puzzleteile der letzten Jahre, als sie nur noch selten ganz vorne mitfahren konnte, zusammen. «Je feuchter und heisser, desto besser für die Stimmbänder. Das Wetter hat bei mir einen riesigen Einfluss. Bis vor zwei Wochen war mir das nicht bewusst.»
Beim Olympiasieg 2021 in Tokio? Regen in der Nacht, total feucht. 2022 ihr erster Weltcup seit 2018 in Kanada? Im strömenden Regen. «Wenn ich jetzt zurückschaue, erkenne ich ein Muster», sagt Neff, «ich bin sehr froh, dass wir nun das Problem gefunden haben.»