Es spricht Bände, dass Jolanda Neff (31) am Mittwoch beim Medientermin von Swiss Cycling in Zürich fehlt. Denn es treten nur Athletinnen und Athleten auf, die sicher an den Olympischen Spielen in Paris dabei sind.
Neff? Ist bei den Frauen wie die Weltnummer 1, Alessandra Keller (28), zwar selektioniert. Doch hinter ihre Titelverteidigung setzte die Olympiasiegerin von Tokio direkt nach der Selektion selber ein Fragezeichen. Neff enthüllte letzte Woche ein bisher geheimgehaltenes Lungenproblem.
Dreimal Corona, dazu Heuschnupfen, dazu vielleicht noch ein weiterer, unerkannter Faktor – unter Vollbelastung kommt es dazu, dass die St. Gallerin im Wettkampf kaum noch richtig Luft kriegt. Das Problem existiert offenbar schon länger, mehrere Therapien schlugen fehl. Dass es Neff nun direkt nach der Olympia-Selektion plötzlich als so akut bezeichnet, dass ihr Paris-Start von einer raschen Lösung abhängt – der ganze Fall Neff wirkt irgendwie rätselhaft.
Das Problem wurde schnell akut
Es ist wegen Neffs Abwesenheit Frauen-Nationaltrainer Edi Telser, der versucht, Licht ins Dunkel zu bringen. Der langjährige Vertraute des Mountainbike-Stars sagt: «Dieses Problem mit der Lunge ist über die Jahre komplizierter geworden. Oder anders gesagt, nun wirkt es sich schlimmer aus als vorher.»
Telser gibt ein Stück weit aber auch Entwarnung. «Jolanda trainiert normal. Sie hatte einen sehr guten Winter und einen guten Frühling.» Die körperliche Basis für eine Titelverteidigung sei definitiv vorhanden. «Wenn wir das Lungenproblem in den Griff bekommen, reicht uns die Zeit auf jeden Fall. Wir sind jetzt dabei, die ganzen Abklärungen zu machen. Wir hoffen, dass wir in den nächsten Tagen Ansätze haben, an denen wir konkret arbeiten können.» Es gebe bereits Anhaltspunkte. Welche? So sehr ins Detail will Telser dann doch nicht gehen.
Rätselhaft bleibt auch: Warum ging man Neffs Luftmangel nicht längst auf den Grund? Es wirkt so, als habe sich ihr Arbeitgeber Trek nie ernsthaft darum gekümmert und dass nun Swiss Cycling als Olympia-Verband notgedrungen eine Blitzlösung suchen muss. Telser: «Das Problem war zwar bekannt, aber die Leistung konnte noch abgerufen werden. Deshalb ging man der Sache nicht so sehr auf den Grund. Doch jetzt schaffte sie es nicht mehr, die Leistung abzurufen.»
Neff bleibt also bis auf Weiteres eine Paris-Wackelkandidatin. Ihr Ersatz wäre Sina Frei (26), die in Tokio Silber holte. Und neue Ersatzfahrerin dann wiederum Nicole Koller (27), die mit dem Cape-Epic-Triumph und starken Weltcupauftritten einen überragenden Frühling hinter sich hat.