Er wirft den Teig durch die Luft, bestreicht ihn mit Tomatensauce, legt Büffelmozzarella darauf und später auch Parmaschinken, Rucola und Parmesanflocken. Stefan Küng (28), das grösste Schweizer Rad-Ass, versucht sich als Pizzabäcker. «Ich stelle dich sofort ein, wenn du eines Tages deine Karriere beendest», sagt Pino Napoli. Der Chef der Pizzeria Barbarossa in Frauenfeld TG ist von Küng begeistert. Dieser beisst genussvoll in seine Pizza und meint: «Das merke ich mir, danke. Aber ich habe noch einige Jahre auf dem Rad vor mir. Diese Pizza ist so oder so der perfekte Einstieg für den Giro.»
Besonderer Höhen-Trick
Küng ist hungrig. Nicht nur auf Pizza, sondern vor allem auf die Maglia Rosa. Am Samstag wird es an der adriatischen Küste ernst, auf den 19,6 Zeitfahr-Kilometern wird er die ganze Energie aus seinem Körper rauspressen. «Ich will den Sieg und das Leadertrikot. Fürchten muss ich niemanden», so Küng. Sein Optimismus ist begründet: Bei seiner einzigen Prüfung gegen die Uhr in diesem Jahr schlug er alle – auch den meistgenannten Favoriten, Filippo Ganna (26, It).
Allerdings sind seit jenem Triumph, den er bei der Algarve-Rundfahrt errungen hat, fast drei Monate vergangen. «Andere hatten mehr Zeit, um sich vorzubereiten. Aber ich habe mich gut von den Frühjahresklassikern erholt.» Dabei half ihm auch sein Höhenzimmer zu Hause – ein fast dichter Raum, bei dem «dünne» Luft hineingeblasen wird. Der Effekt: Der Körper bildet mehr rote Blutkörperchen und verbessert so die Leistungsfähigkeit. «Ich habe 15 Stunden täglich in diesem Zimmer verbracht.»
Ananas auf der Pizza? Niemals
Sollte Küng den Giro-Auftakt gewinnen, wäre er der erste Schweizer seit Alex Zülle (54) vor 25 Jahren, dem dieses Kunststück gelingt. Wir erinnern uns: Der Ostschweizer Brillenträger war 16 Tage Leader, ehe er in den Bergen einbrach. Küng wird dies nicht widerfahren – er ist kein Mann fürs Gesamtklassement. Ganz im Gegensatz zu Remco Evenepoel (23, Be) und Primoz Roglic (33, Slo), zwei weiteren Konkurrenten. «Beim zweiten Zeitfahren ist dies vielleicht ein Vorteil, jetzt nicht. Aber ich fahre sowieso nicht gegen sie, sondern gegen die Uhr.»
Mehr zum Radsport
Ob sich Küng bei einem Sieg eine nächste Pizza gönnen würde, ist offen. Sicher ist: Eine Pizza Hawaii wird er nie bestellen. «Ich brauche keine Ananas darauf. Hätte ich den Pizzabäcker danach gefragt, hätte er mich wohl hinausgeworfen», sagt er lachend.