Blick: Nino Schurter, welche war die kürzeste Nacht Ihres Lebens?
Nino Schurter: Eine, die mir gleich in den Sinn kommt, ist die in Rio nach meinem Olympiasieg. Als ich nach dem Feiern nach Hause kam, hiess es vom Swiss-Olympic-Team: «In einer halben Stunde müssen wir zum Flieger.» So viel Zeit blieb mir also noch zum Packen. Aber nach dem Olympiasieg muss man halt feiern.
Was war sportlich Ihr grösster Glücksmoment?
Der Weltmeistertitel 2018 zu Hause in Lenzerheide. Das ist für mich das Highlight, so viele Zuschauer und alle hatten mich unterstützt.
Welcher war Ihr härtester Sieg?
Es waren alle hart (lacht), besonders aber mein erster Weltmeistertitel 2009 gegen Julien Absalon. Gegen ihn hatte ich extrem viel enge Rennen und musste am Schluss oft sprinten.
Wann war Ihre längste Zeit am Stück auf dem Bike?
Das ist schwierig, sowas mache ich selten. Die längste Zeit war wohl etwa siebeneinhalb Stunden. Ein Abenteuer für mich selbst. Ich bin über den Glaspass, den Tomülpass, Flims und dann nach Chur geradelt. Dabei habe ich immer wieder links und rechts einen Schlenker gemacht.
Die wertvollste Niederlage Ihrer Karriere?
Bei den Olympischen Spielen in London, als ich Zweiter wurde. Das hatte mich am Anfang noch extrem mitgenommen. Ich war Favorit und sehr nahe dran. Wegen einem halben Meter hatte es damals nicht für Gold gereicht. Ich gab die nächsten vier Jahre nochmals alles, um mich zu verbessern, damit es dann in Rio aufging.
Welches war das beste Rennen?
Von der Leistung her war ich in Rio sicher am besten drauf. Das war der grösste Peak, den ich je hatte.
Was war Ihr grösster Fehlkauf?
Ich bin etwas ein Gadget-Freak, brauche die Gadgets dann aber doch nicht – zum Beispiel eine Drohne. Ein Kauf, den es schlussendlich nicht brauchte.
Welcher war Ihr lustigster Abend?
Letztens, als wir beim Weltcup in Brasilien waren, kam ein Pärchen zu mir. Er ist ein grosser Fan und fragte mich, ob ich ihm den Ring bringen könne, wenn er um ihre Hand anhält. Sie stand die ganze Zeit daneben, verstand aber kein Englisch (lacht). Sie dachte wohl, er mache nur etwas Smalltalk, dabei gings um eine ernste Sache. Ich sagte zu und er gab mir hinter dem Rücken den Ring. Das ganze Team war dort und ich hatte dann meinen grossen Auftritt und brachte den Ring. Ein Happy End.
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Wer ist Ihre grösste Inspiration?
Ich verfolge gerne Persönlichkeiten, die irgendwas Verrücktes machen. Bergsteiger faszinieren mich. Zum Beispiel Alex Honnold, der Freeclimber. Auch andere Sportler inspirieren mich, um Gas zu geben.
Welches Schulfach haben Sie als Kind am meisten gehasst?
Französisch (lacht). Das war wirklich nicht mein Ding. Ich hatte etliche Jahre Französisch und habe nicht realisiert, wie viel mir das eines Tages bringen könnte. Heute bedauere ich das sehr.
Was war der grösste Nervenkitzel Ihres Lebens?
Ich glaube, es gibt nichts, dass einem mehr Nervenkitzel geben kann als ein Olympiarennen. Zu wissen, dass es jetzt zählt. Eine Chance, die nur alle vier Jahre kommt. Das ist das Grösste.
Was war die grösste Angst, die Sie je verspürten?
Bei den Olympischen Spielen in Peking waren wir etwas ausserhalb in einem Trainingslager und ich war joggen. Plötzlich verfolgten mich zwei riesige Hunde. Beim Joggen ist das sehr unangenehm, zumal in China, wo dich niemand versteht. Es war auch keiner in der Nähe. Dort hatte ich ziemlich Schiss.
Was war Ihr brutalster Crash?
Das ist eine Weile her, bei einem Downhill-Rennen in Laax, ich war 15 Jahre alt. Ich war bei einem Sprung zu weit in den Gegenhang geflogen. Die Kompression drückte mich so zusammen, dass es mir den Lenker zwischen die Augen schlug. Ich hatte eine böse Gehirnerschütterung, fuhr aber trotzdem weiter und stürzte kurz danach erneut.
An welchem Körperteil haben Sie sich am häufigsten verletzt?
Am meisten gibts bei mir Schürfungen. Beim Wegrutschen fällt man meist auf die Hüfte und die Ellenbogen. Diese haben bei mir ziemlich viele Narben. Sobald eine etwas verheilt ist, kommt sicher gleich die nächste.
Welche war die dümmste Reporter-Frage, die Sie je gestellt bekommen haben?
Eine, die ich nicht mehr hören konnte, war nach London. Viele haben mich gefragt, warum ich nicht aggressiver gefahren bin und links zu gemacht hatte. Im Rennen geht aber alles so schnell und man sieht zum Teil nicht, von wo die Angriffe kommen. Bis nach Rio habe ich diese Frage immer wieder gehört.