Rolf Järmann, Sie wissen, wie sich die Fahrer an der Tour de Suisse zurzeit fühlen müssen. Als Fabio Casartelli 1995 an der Tour de France tödlich verunfallte, waren Sie hautnah dabei.
Rolf Järmann: Ich war früher sein Teamkollege und kannte ihn deshalb sehr gut. Während der 15. Etappe stürzte er während einer Abfahrt schwer. Da ich weiter hinten lag, musste ich an ihm vorbeifahren.
Ahnten Sie sofort, wie schlimm es um Ihren Freund stand?
So wie er dalag, befürchtete ich schnell einmal das Schlimmste. Später kam dann leider die Meldung, dass er verstorben sei.
Auch damals wurde die Tour nicht abgebrochen. War das richtig?
Ja, wir Fahrer haben damals zuerst gesagt, dass wir die nächste Etappe nicht fahren können. Doch dann einigten wir uns mit den Organisatoren darauf, dass wir die Etappe zwar fahren, aber dass sie nicht gewertet wird. Mir half das.
Warum?
So hatte ich fünf Stunden lang Zeit, um darüber nachzudenken und es zumindest teilweise zu verarbeiten. Gleichzeitig musste man während diesen fünf Stunden mit niemandem darüber reden und konnte für sich sein. Hätte man die Tour abgebrochen und wäre nach Hause gefahren, hätte das niemandem geholfen. So aber konnten wir zu Ehren von Fabio weiterfahren. Wir haben dann das Preisgeld der Familie gespendet. Das Tragische an Fabios Tod war ja, dass er kurz zuvor Vater geworden war.
Haben Sie aus der Ferne betrachtet eine Erklärung für den tödlichen Unfall von Gino Mäder?
Ich glaube, es war einfach nur Pech oder Schicksal. Ein solcher Unfall ist so schnell passiert. Du kannst niemandem einen Vorwurf machen. Als Fahrer denkt man nicht an solche Unfälle, man verdrängt solche Gedanken. Und wenn doch, sagt man zu sich selbst: Mich trifft es bestimmt nicht, wenn, dann die anderen.
Sie fuhren während Ihrer Aktivzeit auch mehrfach über den Albula. Ist die Abfahrt danach besonders gefährlich?
Nein, die ist nicht aussergewöhnlich. Deshalb kann und darf man den Tour-de-Suisse-Verantwortlichen auch keine Vorwürfe machen. Leider kann bei Velorennen so etwas immer passieren.
Sie selbst hatten nie einen richtig schweren Unfall. Warum war dies so?
Ich bin einer der wenigen Radprofis, der sich nicht einmal das Schlüsselbein gebrochen hat. Wenn ich ehrlich bin, hatte das aber vor allem mit etwas zu tun: mit viel Glück.