Der 7. August 2020. Es wäre für Ferdy Kübler ein Freudentag gewesen. Vor 70 Jahren hat «Ferdy National» die Tour de France gewonnen. Einer der grössten Momente im Schweizer Sport.
«Dieses Jubiläum hätte Ferdy sehr viel bedeutet», versichert Christina Kübler (73), die Witwe des verstorbenen Zürchers. «Dieser Tag wäre für ihn Nostalgie pur gewesen.»
«Das war für ihn das Grösste»
Nostalgie. So wie das Buch, in dem nun Christina blättert statt Ferdy. Für BLICK hat sie den Wälzer hervorgeholt, der die Geschichte seines Tour-Sieges erzählt. Die Aufgabe der Italiener Bartali und Magni, weil diese von den französischen Fans angepöbelt wurden. Die drei Etappensiege. Die Huldigungen der internationalen Presse.
«Ferdy hat diese Bücher geliebt», sagt Christina. Von einigen Rundfahrten hat ihm sein damaliger Schwager gewaltige Zeitdokumente zusammengestellt. Giro, Tour de France, Tour de Suisse – und eben die Tour 1950. Der Sieg, auf den er so lange hinarbeitete und auf den er so lange warten musste. Dieser Triumph war für Kübler sehr speziell. «Das war für ihn das Grösste. Noch mehr als der Weltmeistertitel.»
Windschlüpfrige Seide
Und wenn Ferdy noch leben würde, er würde unzählige Geschichten erzählen. So etwa wie jene, als er an seinem ersten Tag als Leader auf das Maillot Jaune verzichtete, weil er durch Magnis Aufgabe an die Spitze gekommen war.
Oder jene seines Zeitfahr-Trikots. Statt in Baumwolle liess er es in Seide fertigen, was verboten war. Kübler wusste genau, dass er so windschlüpfriger war, und nahm auch eine halbe Minute Zeitstrafe in Kauf. Aus dieser Etappe nahm er 32 Sekunden Vorsprung mit. Am Ende der Tour waren es 9:30 Minuten, und der erste Schweizer Tour-Sieg war Tatsache.
Aber eben. Den 70. Jahrestag seines grössten Erfolgs erlebt Kübler nicht mehr. Am 29. Dezember 2016 verstarb er an den Folgen einer Grippe im Alter von 97 Jahren und liess seine Christina allein zurück.
«Der Schmerz, den ich am Anfang hatte, als ständig Tränen kamen, der ist vorbei. Aber ich vermisse ihn sehr. Das erste Jahr war ganz schlimm. Eigentlich vergingen zwei Jahre, bis ich damit umgehen konnte und nicht mehr dachte, er kommt wieder. Denn ich hatte immer das Gefühl, dass er bald wieder heimkommt.»
Christina hört nicht mehr so viel vom Radsport wie zu Ferdys Lebzeiten. Doch sie hält sich auf dem Laufenden. Nur im TV zuschauen, das kann sie nicht. «Da habe ich Mühe», sagt sie. «Dann habe ich immer das Gefühl, er sitzt noch neben mir.»