Wenn das Fernsehen eine Sendung über Radsport zeigt, schaltet Christina Kübler (70) ab. «Ich schaue mir keine Velorennen mehr an», gesteht sie. «Die Organisatoren der Tour de Suisse haben mich eingeladen. Aber ich kann nicht hingehen, ich kann es nicht.»
Achtmal fährt Ferdy Kübler die Rundfahrt als Radprofi. Ist nie schlechter als Fünfter: drei Gesamtsiege, elf Etappenerfolge und vier Titel als Bergkönig. 44-mal fährt er als Begleiter im Fahrzeug mit. Insgesamt rund 83'000 Kilometer. Meistens in Weiss gekleidet, aus dem offenen Auto winkend. Und stets im Mercedes. Die Zuschauer konnten die Schweizer Sportlegende am Strassenrand nicht verpassen.
Seine Siege, 1950 die Tour de France, 1951 Strassenweltmeister, machen ihn zur Legende. Und zu einem der beliebtesten Sportler des Landes. Am 29. Dezember vergangenen Jahres starb «Ferdy national» mit 97.
«Wir waren 45 Jahre zusammen»
Ehefrau Christina trauert und steht immer noch im inneren Dialog mit ihrem Mann. «Wir waren 45 Jahre zusammen. Ich habe das ganze Leben mit ihm verbracht. Klar, ich habe als Stewardess meine Fliegerei genossen, aber ich habe mich wahnsinnig gefreut, wieder nach Hause zu kommen, zu meinem Mann. Auch wenn ich weg war, Ferdy war da.»
Sie denkt täglich daran, was er wohl in dieser oder jener Situation getan hätte. Aber sie fürchtet auch die Erinnerung an die gemeinsame Zeit. Sie schaut sich auch keine Golfübertragungen mehr an. «Wenn ich Phil Mickelson sehe, den Lieblingsspieler von Ferdy, kommen mir die Tränen.»
Christina Kübler hat Mühe zu akzeptieren, dass ihr Ferdy nicht mehr da ist. «Ich habe immer das Gefühl, es kann doch nicht sein, dass er wirklich nicht mehr zu mir kommt. Damit habe ich mich noch nicht abgefunden. Ich muss es aber, ich weiss es.»
«Ferdy wäre am liebsten auch im Golf Weltmeister geworden»
Erst seit wenigen Wochen geht sie wieder auf den Golfplatz. Auch da kommen Erinnerungen hoch. «Ferdy wäre am liebsten auch im Golf Weltmeister geworden. Ich erinnere mich, als wir die Platzreife gemacht haben. Ich wollte schon ins Klubrestaurant, da hat er noch zwei Körbe Bälle auf der Driving Range geschlagen.»
Jahrelang hat sie ihren Mann gepflegt. «Ich machte es gern, denn er hat so viel für mich getan. Freunde hatten zwar oft Angst um mich wegen der Belastung. Aber ich muss ehrlich sagen, es ging mir damals besser als jetzt ohne ihn.»
«Ohne Ferdy bin ich so alleine»
«Freundin Nicole», so nennt Christina Kübler ihre kleine Schwester, ist eine grosse Hilfe. «Ohne Ferdy bin ich so alleine, aber dank Nicole, einem kleinen, engen Freundeskreis und natürlich Mami bin ich nicht einsam.»
Die Freundin wird sie auch am 20. Juni begleiten, beim «1. Ferdy Kübler Memorial» in Zürich-Oerlikon. «Ich war noch nie allein auf der offenen Rennbahn», sagt Christina Kübler. «Wie werde ich das durchstehen? Viele werden auf mich zukommen, von Ferdy reden. Und ich habe immer noch Mühe, von ihm zu reden. Und Fragen zu beantworten, wie es mir gehe. Ja, wie geht es mir – ohne ihn? Nicht gut, ich vermisse Ferdy.»