Hitze-Frust, Baby-Glück, Corona-Schock - und nun Zeitfahr-Sieg?
Die völlig verrückte Woche von Radstar Küng

Stefan Küng (28) hat die verrücktesten Tage seines Lebens hinter sich. Nun will der frisch gebackene Vater in Kopenhagen zuschlagen – aber kann das klappen?
Publiziert: 01.07.2022 um 00:31 Uhr
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Aktualisiert: 01.07.2022 um 13:25 Uhr
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Das Ziel ist Paris, doch vorerst ist Stefan Küng in Kopenhagen. Er zählt beim Tour-Auftakt zu den Favoriten.
Foto: Getty Images
Mathias Germann aus Kopenhagen

Wenige Meter neben der Bühne, von der Stefan Küng (28) und die weiteren 175 Fahrer der Tour de France ins Publikum winken, dreht der Starflyer seine Runden. Er ist mit 80 Metern eines der höchsten Kettenkarussells der Welt und im Tivoli-Freizeitpark von Kopenhagen ein Renner. Vor allem aber passt das Karussel gut zur jüngsten Vergangenheit Küngs. Denn: Er hat die turbulentesten zehn seines Lebens hinter sich. «Das kann man so sagen», bestätigt er schmunzelnd.

Doch was genau ist passiert? Um das zu verstehen, muss man das Rad der Zeit auf den Sonntag, 19. Juni, zurückdrehen. An diesem Tag führt Küng im abschliessenden Zeitfahren der Tour de Suisse in Vaduz lange Zeit, ehe sein Motor bei 35 Grad im Schatten explodiert. Er wird Dritter, nur Dritter. «Dabei wollte ich für meine Familie gewinnen», sagt er erschöpft. An wen er in diesem Moment vor allem denkt, ist klar: Sein künftiger Sohn.

Windeln wechseln kann Küng schon

Küng fährt kurz darauf heim nach Frauenfeld TG – seine Frau Céline ist hochschwanger. «Sie bekam schon bald die ersten Wehen, also ging es gleich weiter ins Spital.». Dort angekommen, lässt sich das Baby allerdings zunächst Zeit. Am Dienstag, 21. Juni, ist es so weit: Sohn Noé kommt zur Welt. «Vorher machte ich mir natürlich viele Gedanken, wie es sein würde, erstmals Papi zu werden. Letztlich war es einfach unglaublich schön», so Küng.

Via Instagram kündigt Küng an, auf die Schweizer Meisterschaft zu verzichten. Die Tour-Hauptprobe fällt ins Wasser. «Ich habe die zwei Nächte im Spital kaum geschlafen. Das hätte keinen Sinn gemacht. Und vor allem wollte ich das Familienleben geniessen.»

Doch dann, als Küng mit seiner Familie das Spital verlässt, folgt ein Dämpfer. Er ist Corona-positiv! Und das vier Tage vor dem Abflug nach Dänemark. Frust pur? «Nein. Ich hatte zwar Symptome und musste mich erholen. Aber wenn man Vater wird, verschiebt das einige Perspektiven.» Küng betont, dass er in dieser Situation früher wohl fast verzweifelt wäre. Diesmal aber nicht, «denn ich hatte eine riesige, wunderschöne Ablenkung.» Auch beim Windeln wechseln? «Klar. Da bin ich nicht ganz ungeschickt, weil ich früher schon mal Babysitter für die Tochter meiner Gotte spielte.»

«Völlig befreit»

Küng erholt sich in der Folge und testet täglich weiter. Am letzten Montag ist es dann soweit, er ist negativ. Die Tour kann kommen! Wenig Schlaf, Corona und fehlendes Training? Egal. «Als ich meinen Sohn in den Händen hielt, war das wie ein kleines Wunder. Da wusste ich, dass alles ist nicht so schlimm ist», sagt er.

Wer nun meint, Küng sei nun chancenlos, könnte sich täuschen. «Kopenhagen ist wunderschön. Abe ich werde sicher kein Sightseeing machen», kündigt er an. Und wer weiss, vielleicht sind nach seinen zweiten Zeitfahr-Plätzen bei der Tour 2017 und 2021 ja aller guten Dinge drei. Küng: «Ich gehe völlig befreit an den Start. Alles, was jetzt folgt, ist für mich Bonus!»

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