Es wäre so, als würden Real Madrid und Manchester City fusionieren. Also die Besten der Besten in den letzten Jahren. Unmöglich? Im Fussball ja. Im Radsport sieht es anders aus. Da sind die Teams nicht an Orte gebunden, die Sponsoren alleine bestimmen neben dem Budget über Name und Niederlassung.
Und so könnte es tatsächlich kommen, dass sich die Top-Teams Jumbo-Visma aus Holland und Soudal-Quickstep aus Belgien zusammentun. Gerüchten zufolge könnte schon am Dienstag bekanntgegeben werden, dass Online-Riese Amazon in den Radsport einsteigen wird – das Team würde möglicherweise Visma-Amazon heissen.
Für Euphorie würde diese Meldung nicht sorgen. Viele Velo-Fans fürchten eine Zweiklassengesellschaft, weil die neue Super-Equipe alles in Grund und Boden fahren könnte. Die Folge? Langeweile. Zur Erinnerung: Jumbo-Visma gewann in diesem Jahr alle drei Grand Tours (Giro, Tour de France und Vuelta), insgesamt holte man 64 Siege. Soudal-Quick-Step ist mit 53 Siegen die Nummer 2 der Welt.
Viele Fahrer zittern um ihren Job
Die mögliche Fusion trifft den Radsport im Mark. «Die Unsicherheit ist derzeit gross», bestätigt Olivier Senn. Der Tour-de-Suisse-Direktor ist auch Manager verschiedener Rad-Profis wie Stefan Küng (29) und Stefan Bissegger (25). «Es würden auf einmal bis zu 15 sehr gute Fahrer auf dem Markt verfügbar sein. Sie alle müssten einen neuen Platz finden.» Der Hintergrund: Ein World-Tour-Team darf maximal 30 Fahrer haben. Mit Giro-Sieger Primoz Roglic (32, Slo) bestätigte ein Jumbo-Visma-Fahrer bereits, dass er das Team verlassen wird – womöglich zu Ineos.
Für Fahrer mit auslaufenden Verträgen in anderen Teams würde die Luft bei einer Fusion dünn – zumindest für jene, die nicht um Siege fahren. Das gilt auch für die Schweizer Johan Jacobs (26, Movistar), Alexandre Balmer (23, Jayco Alula) und Rad-Oldi Reto Hollenstein (38, Israel). Silvan Dillier (33) hat sich dagegen mit Alpecin-Deceuninck mündlich bereits auf einen neuen Kontrakt geeinigt.
«Theoretisch interessiert, aber...»
Für die neuen Schweizer Rad-Teams Tudor und Q36.5 würde sich dagegen eine Chance bieten. Welche? Einfach: Sie könnten sich für die bei einer Fusion frei werdende World-Tour-Lizenz bewerben. Aktuell zählen sie zur Kategorie Pro Teams und sind damit in der zweithöchsten Rad-Liga unterwegs. «Wir wollen in die World Tour, aber nicht von heute auf morgen», winkt Tudor-CEO Raphael Meyer ab. Das Ziel sei, organisch zu wachsen und nichts zu überstürzen.
Tatsächlich ist man in der World Tour nicht mehr auf Wildcards für die grössten Rennen angewiesen – dafür ist man verpflichtet, bei jedem der so kategorisierten Rennen teilzunehmen. Heisst: Obwohl ihre Infrastruktur bereits hervorragend ist, müssten Tudor und Q36.5 personell aufrüsten – auch beim Staff. «Theoretisch wären wir interessiert. Aber das ist wohl auch für uns noch zu früh, wir brauchen noch ein Jahr», sagt Q36.5-Boss Luigi Bergamo. 2025 werden die Karten komplett neu gemischt – dann wird der Radweltverband UCI alle 18 Lizenzen neu vergeben.