Am 15. Juni verunfallte Gino Mäder (†26) bei der Tour-de-Suisse-Etappe nach La Punt GR. Einen Tag später erlag er seinen Verletzungen. Was passierte danach? Und welche Anpassungen gibt es in der Zukunft? Sieben Fragen, sieben Antworten.
Was ergaben die Ermittlungen?
Die Spurensicherung der Kantonspolizei Graubünden begann unmittelbar nach dem Unfall. Die Zeugenbefragung ist aber noch nicht abgeschlossen, das Strafverfahren ist pendent. «Die Ermittlungen werden noch einige Zeit in Anspruch nehmen», schreibt Franco Passini von der Staatsanwaltschaft. Nach Blick-Infos werden die Verantwortlichen der Tour de Suisse am Montag befragt.
Was führte zum Unfall?
Derzeit geht man davon aus, dass Gino Mäder einen Fahrfehler begangen hat und nicht mit Magnus Sheffield (21, USA), der an der gleichen Stelle zu Fall kam, kollidierte. Sie fuhren zeitlich versetzt an der Stelle vorbei. Ob beispielsweise die Bremsen der Athleten versagten, Mäder und Sheffield wegen möglichen Verunreinigungen wegrutschten oder eine Windböe ihre Stürze beeinflusste, ist Spekulation. Auch hier gibt die Staatsanwaltschaft keine Auskunft. Man kann davon ausgehen, dass alle Fahrer des Tour-Pelotons die Stelle mit hohem Tempo passierten, vielleicht hatten sie vor der Kurve um 100 km/h drauf. Dennoch sagte der Aargauer Silvan Dillier: «Ich habe die Kurve grundsätzlich nicht als gefährlich erlebt.» Das deckt sich mit den Aussagen anderer Athleten.
Wie geht es Magnus Sheffield, dem zweiten Sturzopfer?
Der Amerikaner erlitt eine Gehirnerschütterung, Prellungen und Schürfungen. Er verliess das Spital in Chur nach drei Tagen. Nach einer langen Rehabilitationsphase gab Sheffield sein Comeback Anfang September bei der Tour of Britain und gewann sogleich deren Nachwuchswertung. «Nach vielen harten Tagen, Wochen und Monaten mit Auf und Abs fühlte es sich grossartig an, wieder am Start eines Rennens zu sein», erklärte er. Wie hat er seinen Sturz erlebt? Das Team Ineos verweist auf Anfrage an die Staatsanwaltschaft.
Plant die Tour de Suisse neue Sicherheitsmassnahmen?
Zumindest noch nicht. «Wir sind aber im ständigen Austausch mit dem Rad-Weltverband UCI und den Teams», sagt Tour-Direktor Olivier Senn. Er betont, dass man auf keinen Fall einen Schnellschuss machen wolle. Man merkt: Senn hält wenig von kurzfristigen Massnahmen, welche zum Beispiel die Tour de France einführte – so wie die Polsterung einzelner Kurven. «Technische Massnahmen sind ein Weg, den es wohl zu überlegen gilt. Aber nicht nur. Unsere Gedanken gehen auch in den Bereich des Fahrverhaltens und der Information der Athleten über die Strecke – zum Beispiel via Radcomputer.»
Wird der Albulapass von der Tour weiterhin befahren?
Im nächsten Jahr sicher nicht. Das war aber auch vor Mäders Tod bereits so vorgesehen, da die Landesrundfahrt nicht das Engadin durchquert. Was 2025 sein wird, ist offen. Klar ist: Die Tour de Suisse wird 2024 den Wahlzürcher ehren – in welcher Form, ist noch offen. «Gino wird aber ein Teil der Tour de Suisse bleiben», versichert Senn.
Wie gehen die Schweizer Rad-Asse mit Mäders Tod um?
«Mir schwirren immer wieder Bilder von und mit Gino durch den Kopf», sagt Stefan Bissegger (25). So dürfte es den meisten ergehen – das Ganze ist ein Prozess. Reto Hollenstein (38) hatte nach der Tragödie gar gemeint: «Ich werde wohl nie damit abschliessen können.»
Wird es keine Ankünfte nach Abfahrten mehr geben?
«Es war wohl keine schlaue Idee, das Ziel einer solchen Etappe nach einer Abfahrt zu platzieren. Aber man braucht wohl immer noch mehr Spektakel», sagte Belgiens Rad-Star Remco Evenepoel (23) unmittelbar nach der Zieleinfahrt in La Punt. Tatsächlich war das Städtchen schon oft Etappenziel der Tour de Suisse, ohne dass vorher etwas Schlimmes passiert wäre. «Wir werden uns das überlegen, aber ich wehre mich gegen den Vorwurf, dass wir für Spektakel die Sicherheit der Fahrer aufs Spiel setzen. Die Kurve, in der Mäder und Sheffield stürzten, war keine besonders gefährliche Stelle», so Senn.