Michi Schär (33) hat in seinen 15 Jahren im Profi-Radsport schon viel erlebt. Es braucht viel, um den ruhigen Luzerner aus Geuensee aus der Ruhe zu bringen. «Aber jetzt muss ich einfach etwas sagen», so Schär. Man merkt: Auch einige Tage nach dem Ende der Dauphiné-Rundfahrt ist er noch verärgert. «Wie die Organisatoren des Rennens mit der Gesundheit der Fahrer gespielt haben, ist inakzeptabel», so Schär.
Tatsächlich gab es gleich reihenweise Stürze und Verletzungen, dabei erwischte es auch potenzielle Tour-de-France-Favoriten wie der Slowene Primoz Roglic (30). «Wir wurden mit 80 km/h in eine Abfahrt geschickt, wo Kies und faustgrosse Steine auf der Strasse lagen. Und oft über enge Kuhwege geleitet. All dies für möglichst viel Spektakel. Das war gesuchtes Risiko und ist völlig unverantwortlich.»
Protest gegen Organisatoren mit Stillstand
Tatsächlich machte das Peloton seiner Wut auf der letzten Etappe Luft. Schon zu Beginn der Etappe sprach man sich ab, in der ersten Abfahrt – sie stand gleich zu Beginn des Rennens an – nicht zu attackieren. Im Tal angekommen, standen die Profis aus Protest fünf Minuten lang bockstill.
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«Ob es etwas bewirkt hat, bezweifle ich», so Schär. Organisator ASO habe weder ernsthaft zugehört, noch sich für die Streckenführung und den schlechten Strassenverhältnissen entschuldigt. «Dabei ist der Dauphiné das wichtigste Vorbereitungsrennen für die Tour de France. So etwas darf einfach nicht passieren.»
Wird auch die Tour zur Risiko-Fahrt?
Die Sorgen des CCC-Profis gehen weiter. Er befürchtet, dass es auch an der Tour de France gefährlich werden könnte – auch für diese Rundfahrt ist die ASO verantwortlich. Ebenso kann Schär nicht verstehen, dass eine mögliche Tour-Absage wegen Corona bislang gar nie thematisiert wurde. «Auch ich will die Tour, auch ich liebe sie. Aber wenn man Corona nicht thematisiert, ist der Virus deswegen nicht weg», so Schär.
Von Corona-Schutz bei den Fans keine Spur
Immerhin: Die Corona-Konzepte am Dauphiné überzeugten, die Tests und Abschirmung von anderen Teams zwischen den Rennen hätten funktioniert. Für Schär gibt es aber ein ungelöstes Problem: «Beim Anstieg zum Col de Colombier waren bestimmt 3000 Zuschauer oben auf engstem Raum. Keiner trug eine Maske. Und mehrere schrien mir aus 20 Zentimeter Entfernung ins Gesicht, um mich anzufeuern. Ich bin gespannt, wie es bei der Tour aussehen wird.»
Tatsächlich gibt es noch weitere Fragezeichen. So weiss niemand, was bei positiven Corona-Fällen im Peloton geschehen wird. «Ich habe gehört, dass die Rundfahrt bei drei positiven Tests abgebrochen wird. Ob das stimmt, weiss ich nicht. Aber ich finde, dass man auch hier Klarheit schaffen sollte.»