Es gibt Jobs, deren Beschreibung klingt im ersten Moment ganz spassig. Anstrengend sind sie trotzdem. Und vielleicht lassen sie einen auch ein bisschen am geistigen Zustand der Menschheit zweifeln.
Derjenige von Patrick Dancoisne und Joël Gautriand ist so einer. Als Letzterer eines Morgens zur Arbeit an der Tour de France erscheint, ist die Ansage durch einen der Offiziellen klar: «Jungs, ihr werdet viele Penisse sehen.»
Sie übermalen, was die TV-Zuschauer erschrecken könnte
Dancoisne und Gautriand haben während der «Grande Boucle» nämlich eine ganz besondere Aufgabe: Sie fahren mit einem Van die Etappe im Voraus ab und sorgen dafür, dass die TV-Kameras keine Anrüchigkeiten und Kontroversen einfangen, die Rad-Fans auf die Strasse gemalt haben. Schliesslich will man die TV-Zuschauer in den über 100 Ländern, in welchen die Tour übertragen wird, nicht erschrecken.
Mit Rollern, Pinseln, einem Etappenplan, der Marschtabelle und Eimern voller Farbe ausgerüstet, übertünchen sie alles Mögliche: Beschimpfungen, politische Botschaften – und vor allem Penisse. Ganz viele Penisse.
Penisse alle paar hundert Meter
Das Rad-Magazin «Pedale!» hat die beiden vor zwei Jahren einen Tag lang begleitet. Und festgestellt, dass Radsport-Fans eben nicht nur anfeuernde Botschaften an die Adresse ihrer Lieblinge im Feld auf die Strasse malen – sondern auch Kritzeleien, wie sie sich auch auf manch einem öffentlichen WC finden. Warum auch immer. «Als der Lieferwagen losfährt, taucht der Penis in allen möglichen Formen auf, so weit das Auge reicht», beschreibt der Autor die Szenerie. «Alle paar hundert Meter, manchmal in Formation fliegend», heisst es in dem Text. Also: viel Arbeit für die Männer im Van.
Es zeigt sich, dass die Aufgabe auch künstlerisch nicht ohne ist. Aus einem weiss auf Asphalt-Grau gepinselten männlichen Genital wird dank ein paar Pinselstrichen ein Schmetterling oder ein Bär – schon ist die Stelle für die TV-Übertragung gesäubert. «Wir verwandeln so viel wie möglich», sagt Gautriand. Manchmal geht das nicht – dann muss mit dunkler Farbe gearbeitet werden.
Aus EPO wird EPQ
Wer sich vor dem TV über seltsame Buchstabenkombinationen wundert, hat möglicherweise auch gerade eines der Werke der Beiden vor sich. Bei Gautriand/Dancoisne wird aus der Doping-Anklage «EPO» auch einmal «EPQ», das «SOS», mit dem auf das massenhafte Sterben von Flüchtlingen im Mittelmeer hingewiesen wird, wird zu «888».
350 Liter weisse Farbe pinseln die Beiden während der drei Wochen einer Tour auf die Strassen Frankreichs. Das ist viel harte Arbeit, etwas Kunst. Und hoffentlich manchmal auch ein bisschen lustig.