War es Mord? Oder ein Unfall? Klar ist nur, dass es eine Tragödie ist. Ex-Rad-Ass Rohan Dennis (33) hat in seiner Heimat Australien kurz nach Weihnachten seine Ehefrau Melissa Dennis so schwer verletzt, dass sie im Spital ihren Verletzungen erlag. Hoskins, wie sie mit Mächchennamen hiess, war selbst Rad-Profi und holte 2015 WM-Gold in der Einzelverfolgung. Sie wurde nur 32 Jahre alt. Dennis wurde wegen Totschlags angeklagt, er verliess das Gefängnis gegen Kaution – am 13. März muss er sich vor Gericht verteidigen.
Was sich am Samstagabend in Medindie, einem noblen Vorort Adelaides, genau abgespielt hat, ist Gegenstand von Untersuchungen. Gemäss lokalen Medien könnte das Ganze wie folgt abgelaufen sein: Das Paar stritt sich, er wollte mit seinem Pickup-Truck losfahren, sie versuchte es zu verhindern, sprang auf die Motorhaube, fiel runter und wurde überfahren. Die Anklage im Wortlaut: «Der 33-jährige Mann, ein Bekannter der Frau, wird wegen gefährlichen Fahrens, unachtsamen Fahrens und Gefährdung des Lebens anderer mit Todesfolge angeklagt.»
«Eine Geberin mit grossem Herzen»
Melissa Dennis war zweifache Mutter, in den sozialen Medien beschrieb sie sich als «Lover of the family» und «Wife and mum». 2018 hatten Rohan und sie geheiratet. Wenige Stunden vor dem Familienunglück postete ihr Ehemann noch ein Familienfoto vor einem Weihnachtsbaum –auch ihr Sohn und ihre Tochter strahlten. «Frohe Weihnachten», stand darunter.
Nach Melissas Tod liess nun ihr Vater ausrichten: «Wir haben nicht nur eine Tochter und Schwester verloren. Die Kinder haben ihre Mutter verloren, einen Freigeist, eine Geberin mit grossem Herzen, Geduld und Lebensfreude.» Rohan Dennis selbst äusserte sich nicht zum Unfall – er wird es bis zur Anhörung auch kaum tun.
Vier WM-Goldmedaillen im Zeitfahren
Doch wer ist dieser Mann, der wie so viele australische Velofahrer seine Karriere auf der Bahn lancierte? Aus sportlicher Perspektive zählt Dennis zu den besten Zeitfahrern der Geschichte. Er holte auf der Strasse viermal WM-Gold: zweimal im Teamzeitfahren (2014 und 2015) und zweimal im Einzelzeitfahren (2018 und 2019).
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Er gewann Etappen in allen drei grossen Rundfahrten (Giro, Tour de France und Vuelta), holte im Jahr 2021 Olympia-Bronze und hamsterte zwei Siege bei der Tour de Suisse. Im vergangenen Februar kündigte Dennis seinen Rücktritt an – offiziell ist er seit Neujahr nicht mehr Profi.
Immer wieder Reibereien
Dennis sorgte auch für negative Schlagzeilen. Der Aargauer Silvan Dillier (33) gewann mit BMC zwei WM-Titel im Teamzeitfahren mit ihm. Er lobt Dennis, sagt aber: «Ich kannte auch seine sehr impulsive Art. Damit umzugehen, war für viele herausfordernd.»
Tatsächlich stritt sich Dennis immer wieder – vor allem mit seinen Teamchefs. Unvergessen ist seine Aufgabe bei der Tour de France 2019, als er bei der 12. Etappe plötzlich vom Rad stieg. Dennis war weder gestürzt noch krank – er wollte einfach nicht mehr. Später wurde bekannt, dass er unzufrieden gewesen sei mit dem Velo, das ihm seine Mannschaft Bahrai-Merida zur Verfügung gestellt hatte.
Ausbruch aus der Corona-Blase
Dennis wurde zuweilen als manisch-depressiv beschrieben. Victor Campenaerts (32, Be), einer seiner grössten Konkurrenten, sagte einmal: «Rohan war der Einzige im ganzen Peloton, der sich weigerte, mit mir zu sprechen.»
Im April 2020, als in seiner Wahlheimat Spanien wegen Corona strenge Beschränkungen herrschten, postete Dennis ein Foto von einer Spritztour mit dem Auto und schrieb: «Covid-19 und die Quarantäne können mich am Arsch lecken!» Die Folge? Ein Shitstorm. Dennis löschte seine gesamten Twitter- und Instagram-Accounts.
Dennis arbeitete lange intensiv mit einem Psychologen zusammen – offenbar, um negative Gedanken zurückzudrängen. In den letzten Jahren schien er ruhiger, zufriedener geworden zu sein.
«Ich kann mir das nicht vorstellen»
Ex-Rad-Profi Martin Elmiger (45) war 2017 sein Teamkollege. Auf die damalige Zeit angesprochen, sagt er: «Rohan hatte ein unglaubliches Talent im Zeitfahren, aber er war auch ein Hitzkopf, der manchmal durchdrehte – nicht im Bösen, sondern aus den Emotionen heraus.» Er selbst habe keine schlechten Erfahrungen mit ihm gemacht. «Für mich war er ein netter, cooler Typ.»
Elmiger ist wie viele andere erschüttert über die Nachrichten aus Australien. «Ich kann mir nicht vorstellen, dass er seine Ehefrau absichtlich getötet hat. Auch wenn es blöd tönt, hoffe ich, dass sich alles als tragischer Vorfall herausstellt.»