Er fährt und fährt, gewinnt aber fast nie: Sébastien Reichenbach (33). Der Walliser ist seit elf Jahren Profi, fuhr 717 Rennen und siegte zwei Mal. «Mit dieser Statistik will ich meine Karriere nicht beenden», sagt er. Genau darum wechselte Reichenbach vor der Saison nach neun Jahren in Frankreich bei Groupama-FDJ zum neuen Schweizer Team Tudor Pro Cycling.
Auf dem Papier steigt er damit in die Zweitklassigkeit ab. Gefühlt ist es das Gegenteil. «Ich war zuletzt neun Jahre Profi in Frankreich, habe viele Erfahrungen gesammelt. Es war schön, ich habe das Spiel mitgemacht. Aber eigentlich bist du in der World Tour, ausser man ist ein Star, schlicht eine Nummer. Dort gibt es keinen Platz für Leute, die schwach sind. Wenn es nicht läuft, wird man schnell ersetzt. Tönt brutal, aber das ist die Mentalität.»
Er will kein klassischer Leader sein
Reichenbach befindet sich im Herbst seiner Karriere. Anfang Mai, also kurz nach der Tour de Romandie, wird er erstmals Vater. «Ich freue mich, das ist wirklich cool.» Und im Team der Rad-Legende Fabian Cancellara (42) hat er sein Glück, so scheint es, ebenfalls gefunden. «Hier steht der Mensch im Zentrum. Man fragt, warum es gut läuft oder nicht. Es geht nicht nur um die Zahlen, man spricht miteinander.»
Diese Nestwärme tut Reichenbach gut. Bei der Tour de Romandie will er mit Tudor aktiv fahren, sich zeigen, in die Top 10 des Gesamtklassements – oder noch lieber, eine Etappe gewinnen. Obwohl er der älteste Fahrer des Teams ist, sieht sich Reichenbach nicht als klassischer Leader. «Dafür bin ich zu ruhig und zu wenig egoistisch. Ich habe weder den Charakter noch das Charisma, um den Patron zu spielen. Aber ich will meinen jungen Teamkollegen helfen, wenn sie mich brauchen.»