Gino Mäder nimmt kein Blatt vor den Mund. «In diesem Jahr gibt es keine Ausreden mehr.» Was er meint? Einfach: Mäder hatte bislang eine Saison ohne jegliche Probleme – der 26-Jährige war weder verletzt, angeschlagen noch krank. Gleichzeitig hat er seine Einstellung zum Radsport geändert. «Im Winter habe ich einen Reifeprozess durchgemacht und mich entschieden, extrem ins Velofahren zu investieren. Denn ich will in zehn Jahren auf keinen Fall zurückblicken und mich fragen, ob nicht mehr möglich gewesen wäre.»
Es ist nicht so, dass Mäder vorher wenig in den Radsport investiert hätte – sonst wäre er bei der Vuelta 2021 niemals Gesamtfünfter geworden. Er hätte im selben Jahr auch keine Etappe des Giro und der Tour de Suisse gewonnen. Doch jetzt macht Mäder definitiv Nägel mit Köpfen, er ordnet sein ganzes Leben dem Radsport unter. «Wenn ich alles investiere, aber schlecht fahre, dann ist es halt so. Aber dann muss ich mir nichts vorwerfen. Ab jetzt liegts am Talent», sagt er.
«Ich bin oft extrem müde»
Doch warum entschied sich Mäder erst jetzt für diese Strategie? «Ich habe immer gedacht, dass es mega schade wäre, wenn ich meine Erwartungen nicht erfüllen würde. Jetzt habe ich keine Erwartungen mehr. Ich habe diesen Ballast abgelegt und will wissen, wie gut ich wirklich bin.»
Heisst: Mäder hat keine Angst mehr vor dem Versagen. Denn er ist überzeugt, dass er mit schlechten Resultaten besser umgehen kann als früher. Eine Folge dieses Sinneswandels, das noch mehr Training mit sich zieht, spürt er jetzt schon. «Ich bin in der Freizeit extrem müde. Ein Buch lesen liegt nicht drin, ich würde sofort einschlafen. Aber ich beschäftige mich ständig mit dem Radsport – auch dann, wenn ich nicht auf dem Velo sitze. Der Kopf kommt also nicht zu kurz.»
Romandie, Giro – und dann?
Am Dienstag startet Mäder zur Tour de Romandie. Letztes Jahr wurde er bei diesem Rennen Zweiter in der Gesamtwertung. «Klar, ich will mehr. Aber ich bin ein sehr realistischer Mensch. Wenn andere stärker fahren, ich aber mein Bestes gegeben habe, kann ich damit leben.»
Danach startet Mäder zum Giro d'Italia (ab 6. Mai). Ob er danach die Tour de Suisse (ab 11. Juni) oder die Tour de France (ab 1. Juli) bestreiten wird, ist offen. «Diese Entscheidung wird für mich getroffen», spricht er sein Team Bahrain-Victorious an. Fakt ist aber auch: Je stärker Mäder fährt, desto mehr Gewicht werden seine Wünsche und Vorstellungen haben.